5 Minuten mit Rafat Chabaane, Chief Business Officer (CBO) bei STREETS

07/11/2022

Olivier Toublan

Immoday

5 Min

 

Zum heutigen '5 Minuten mit'-Interview begrüssen wir Rafat Chabaane, Chief Business Officer (CBO) bei STREETS
 

'5 Minuten mit' ist eine Interviewreihe, die zu einem besseren Verständnis der Akteure der Immobilienverbriefung in der Schweiz und ihrer Aktivitäten beitragen soll.
 

Rafat Chabaane, erzählen Sie uns etwas über sich.  
 

Beruflich bin ich jemand, der alles liebt, was mit Immobilien zu tun hat. Sei es der traditionelle Immobiliensektor, in dem ich mehrere Jahre lang gearbeitet habe, oder der digitale Immobiliensektor (PropTech), in dem ich heute tätig bin. Wobei sich beides nicht ausschliesst, sondern eher ergänzt. Ich bin mit Leidenschaft Unternehmer und liebe es, Dinge voranzutreiben, hin zu mehr Effizienz, was wahrscheinlich auf mein Profil als Ingenieur zurückzuführen ist.

 

Reden wir kurz über dieses Profil. Sie haben einen Abschluss in Wirtschaftsingenieurwesen von der HEIG-VD in Yverdon. 
 

So ist es. Ich stamme ursprünglich aus Tunesien, und als ich nach einem Ort suchte, an dem ich eine technische Ausbildung machen konnte, fand ich mein Glück in diesem sehr vielseitigen Studiengang des Wirtschaftsingenieurwesens in Yverdon. Während des Studiums lernte ich meine Frau kennen, gründete eine Familie und fand nach meinem Bachelorabschluss, auf den später ein eidgenössischer Fachausweis als Immobilienentwickler und verschiedene Weiterbildungen folgten, Arbeit in der Region. Ich blieb also in der Schweiz. Wegen der Lebensqualität und der Work-Life-Balance wohne ich in Colombier im Kanton Neuenburg und pendle für die Arbeit nach Lausanne.

 

Sie haben Ihre Karriere in der Immobilienbranche bei Assura begonnen. 
 

Dort arbeitete ich etwas mehr als sechs Jahre, von 2012 bis 2018, als Leiter der Immobilienabteilung. Diese Erfahrung im traditionellen Immobiliengeschäft kommt mir heute sehr zugute, da ich hier die Bedürfnisse dieser Branche von innen heraus kennengelernt habe. Ich weiss, welche Lösungen ich Eigentümern, Bauträgern und institutionellen Anlegern anbieten kann, damit sie ihr Immobilienportfolio effizienter verwalten können. Und ich bin überzeugt, dass diese Lösungen digital laufen, also über das, was heute als PropTech bezeichnet wird. Das ist übrigens einer der Hauptgründe, warum ich von Assura zu STREETS gewechselt bin.

 

Eine ziemliche Herausforderung, einen grossen Konzern zu verlassen und sich einem jungen Start-up anzuschliessen. 
 

Bei Assura konnte ich Erfahrungen in der Verwaltung eines Immobilienportfolios sammeln, und zwar in praktischer als auch in finanzieller Hinsicht, aber auch, wie die Anforderungen der FINMA und anderer Aufsichtsorgane einzuhalten sind. Doch nach sechs Jahren hatte ich das Gefühl, dass ich genug gesehen hatte. Ich war müde von der Schwerfälligkeit, die typisch ist für grosse Konzerne, in denen es immer schwierig ist, etwas zu bewegen. Dabei wusste ich, dass es PropTech-Lösungen zu entwickeln gab, mit denen Immobilienmanager ihre Arbeit besser machen konnten. Also beschloss ich, den Schritt zu wagen, Assura zu verlassen und meine Karriere in einem PropTech-Start-up fortzusetzen. Das war im Dezember 2008.

 

Und Sie bereuen nichts? 
 

Es ist schön, wieder zu wissen, für wen und warum man arbeitet, ein Produkt entwickeln zu können, Lösungen für seine Kunden zu finden, das konkrete Ergebnis der eigenen Bemühungen zu sehen und gemeinsam mit Partnern und einem vielseitig ausgebildeten Team voranzukommen.

 

Erzählen Sie uns etwas über STREETS. 
 

Als ich dort anfing, bot dieses Spin-off der EPFL eine Software an, mit der man verschiedene Datenquellen verbinden und aggregieren konnte, aber sie war hauptsächlich für die Chemie- und Pharmaindustrie bestimmt. Dennoch hatten sie einen grossen Immobilienkunden, der die Software für die Datenaggregation nutzte. Wir erkannten, dass es möglich war, viel weiter zu gehen. Also beschlossen wir, uns ausschliesslich auf Immobilienkunden zu konzentrieren, führten die Marke STREETS ein und entwickelten eine eigene Lösung für die Verwaltung von Immobilienportfolios, ein Portfoliomanagement-System oder PMS, wie man in der Branche sagt. Die Entwicklung von STREETS begann also auf einem weissen Blatt Papier. Das dauerte etwa zwei Jahre.

 

Wozu dient ein PMS? 
 

Es handelt sich um eine digitale Plattform, über die Asset Manager, Eigentümer, Verwalter und alle Beteiligten der Immobilienbranche ihr Asset Management digitalisieren und dadurch alle ihnen zur Verfügung stehenden Daten über ihre Immobilien und deren Erfordernisse effizienter nutzen können. Diese Daten werden in flexible, transparente, analytische Dashboards mit vielfältigen Funktionen integriert, die die Immobilienfachleute bei ihrer täglichen Arbeit unterstützen, ihnen bessere Entscheidungen ermöglichen, die Produktivität steigern und die Verwaltungskosten senken.
 

 

Ist STREETS ein grosses Unternehmen?   
 

Wir sind derzeit sechs Personen, aber wir werden noch wachsen. Unser Team besteht aus Fachleuten aus der Immobilienbranche, dem Projektmanagement und der IT. Nach zwei Jahren in der Entwicklung haben wir heute ein gutes Produkt und gehen nun in eine aktivere Phase der Vermarktung über. Wir haben schon drei Kunden. Dabei möchte ich betonen, dass wir kein Projekt, sondern ein Produkt anbieten, das stabil und effizient ist und das man leicht innerhalb weniger Wochen an die Bedürfnisse eines neuen Kunden anpassen kann. Dank unseres offenen und partnerschaftlichen Ansatzes lernen wir die Bedürfnisse unserer Kunden und Interessenten so gut wie möglich kennen, ohne systematisch jedes Mal die Entwicklungsphase durchlaufen zu müssen. Das ist die grosse Stärke von STREETS.

 

Rafat Chabaane, was sind Ihre wichtigsten beruflichen Charaktereigenschaften?  
 

Ich bin eine Führungspersönlichkeit, was nicht immer leicht zu leben ist, denn man muss ständig etwas tun, anstossen und vorankommen. Aber in einem kleinen Start-up wie dem unseren geht es nicht ohne. Ich kann auch «out of the box» denken, mich aus dem Tagesgeschäft herausziehen, einen Schritt zurücktreten, um originelle Lösungen für Probleme zu finden, und habe ein gutes Gleichgewicht zwischen kurz- und langfristigen Visionen.

 

Sie haben fast Ihre gesamte Berufslaufbahn in der Immobilienbranche verbracht. Woher kommt diese Leidenschaft?   
 

Eigentlich habe ich schon seit meiner Kindheit mit Immobilien zu tun. In Tunesien waren mein Grossvater und meine Onkel in der Immobilienentwicklung tätig, sodass ich schon als Kind hinter die Kulissen der Branche blicken konnte und vom Start eines Projekts bis zum Verkauf von Immobilien alles gesehen habe. Dadurch wurde mir auch die Bedeutung und Komplexität des Immobiliengeschäfts, dieses universellen menschlichen Bedürfnisses bewusst.

 

Und was sind Ihre wichtigsten persönlichen Charaktereigenschaften?  
 

Leidenschaft, Engagement für das, was ich tue, aber auch Ehrgeiz. Ich weiss, dass man das nicht zu sehr betonen sollte, aber ich bin sehr geradeheraus, ich sage, was ich denke, und bin ziemlich direkt.

 

Das klingt nicht besonders diplomatisch, wo es doch von der Branche heisst, dass Diplomatie eine wichtige Eigenschaft ist.
 

Wenn Diplomatie wichtiger ist als pragmatische Effizienz, haben wir meiner Meinung nach ein Problem.

 

Was sind Ihre Leidenschaften?   
 

Angeln.

 

Angeln?  
 

Ja, ein paar Tage im Wald, am Meer, Hobbyangeln, ruhig, so dass ich loslassen kann. Ich habe immer auch viel Sport getrieben. In Tunesien war ich Mitglied der Handballnationalmannschaft. Ich habe ein bisschen in der Schweiz gespielt und mehrere Jahre lang einen Jugendclub in Yverdon trainiert und sogar den Westschweizer Meistertitel in verschiedenen Kategorien errungen.

 

Unsere letzte Frage, mit der wir immer unsere Porträts beenden: Wenn Sie einen Zauberstab hätten, was würden Sie an Ihrem beruflichen Werdegang ändern?   
 

Ich würde ein paar Jahre lang im Ausland arbeiten. Die Schweizer Immobilienbranche kreist ein bisschen zu sehr um sich selbst, während ausserhalb unserer Grenzen spannende Dinge passieren. In meinem Bereich, PropTech, werden zum Beispiel wirklich innovative Lösungen entwickelt, deren Anwendung auch in der Schweiz interessant sein könnten.
 

Olivier Toublan, Immoday