Gewerbe-, Industrie- und Logistikimmobilien: die Gewinner unter den gewerblichen Immobilien?

16/12/2020

Voxia

Immoday

5 min

Angesichts niedriger Zinssätze (Rendite zehnjähriger Bundesobligationen: –0,46 %) und wirtschaftlicher Unsicherheiten sind Immobilienanlagen im Vergleich zu anderen Anlageklassen nach wie vor sehr gefragt. Ohne Zweifel stehen gewerbliche Immobilien durch die Gesundheitskrise, die wir seit Anfang 2020 erleben, allgemein unter Druck, und viele Analysten schwören auf Wohnimmobilien. Doch gibt es realistische Chancen, wenn man sich die Arten von Immobilien, aus denen sich der gewerbliche Immobiliensektor zusammensetzt, einmal genauer anschaut. Während Büroflächen die Auswirkungen der Telearbeit deutlich zu spüren bekommen und Hotels, Restaurants, Freizeiteinrichtungen und Einzelhandelsgeschäfte unter dem Lockdown leiden, gilt dies weder für Gewerbe- und Industrieflächen, wo sich die Geschäftsaktivität recht gut gehalten hat, noch für Logistik- oder Lagerflächen, die aufgrund des E-Commerce eine starke Nachfrage erfahren.

 

Während sich die Folgen der Krise auf zukünftige Einnahmen, den Leerstand und den Leitzins noch immer schwer abschätzen lassen, ist immerhin gewiss, dass sich die Wirtschaft gut hält. Anstatt auf die Arbeitslosenquote von 5 % zu blicken, sollte man besser das «halb volle Glas» sehen und berücksichtigen, dass 95 % der Erwerbspersonen tatsächlich erwerbstätig sind. Ein grosser Teil dieser rund 5 Millionen Menschen ist in Industrie- und Gewerbebetrieben beschäftigt, die wiederum etwa ein Sechstel des schweizerischen Immobilienbestandes ausmachen. Dieses Segment, das von Anlegern oft noch ignoriert wird, kommt nach dem Wohneigentum mit 50 % der Immobilienfläche der Schweiz.
 

Ob mit oder ohne Pandemie – es werden gewerbliche oder industrielle Flächen gemietet, gekauft und verkauft, renoviert oder umgewandelt. Einige Flächen, wie z. B. die der Logistik- und Lagerbranche, konnten sogar von der Gesundheitskrise und den verstärkten Aktivitäten im E-Commerce profitieren. Davon zeugen die Ergebnisse des ersten Halbjahres 2020 von Investmentfonds, die sich auf dieses Immobiliensegment konzentrieren: Die Renditen und Mieteinnahmen steigen, der Immobilienerwerb hält an, Mieter unterzeichnen langfristige Mietverträge (20 Jahre) und die Anleger zeichnen weiterhin vorgeschlagene Kapitalerhöhungen.
 

Im Gegensatz zu Wohnimmobilien bieten Industrie-, Gewerbe- und Logistikimmobilien zahlreiche komparative Vorteile. Die Renditen in diesem Segment fallen mit rund 5% bis 7 % deutlich höher aus als bei Wohnimmobilien, die eher bei 3 % bis 5 % liegen. Während die Preise für Wohnimmobilien insgesamt erheblich gestiegen sind, blieben sie im Industrie- und Gewerbebereich relativ stabil.
 

Darüber hinaus ist das Potenzial für Kapitalgewinne bei Letzteren viel höher als im Wohnungsbereich. Einerseits bietet der Markt nach wbill-2823882_1920.jpgie vor Gebäude oder Grundstücke zu attraktiven Preisen, denen die Ausdehnung der Ballungsräume zugutekommt. Andererseits ist der Um- und Ausbau dieser Immobilien deutlich einfacher als der von Wohnungen, wo die Vorschriften viel restriktiver und die möglichen Mieterhöhungen begrenzt sind. Für einen Anleger ist dieser Handlungsspielraum gleichbedeutend mit hohen Kapitalgewinnen.
 

Strukturell gesehen profitiert das Industrie- und Gewerbesegment weiterhin davon, dass sich Unternehmen eher auf ihr Kerngeschäft konzentrieren, in dieses investieren und sich von ihren Immobilien zugunsten langfristiger Mietverträge trennen. Auch die Rückkehr des Produktionsbetriebes in die Schweiz, wie dies zum Beispiel in der Medizintechnik (Medtech) zu beobachten ist, dürfte für den Sektor von Vorteil sein. Diese Branche ist übrigens sehr widerstandsfähig, wie sich im Jahr 2015 gezeigt hat, als der Euro-Mindestkurs aufgehoben wurde, der den Schweizer Franken an den Euro gekoppelt hatte. In einer Zeit, in der Unheilsverkünder mit massiven Abgängen rechneten, konzentrierten sich die Schweizer Unternehmen auf Innovation und ihre Vorzeigeprodukte, um auf ihrem Gebiet marktführend zu werden. Und ihre Bemühungen waren von Erfolg gekrönt, was sich auch in einer Zunahme benötigter Geschäftsflächen spiegelte.
 

Ebenso wird das Segment Logistik und Lagerhaltung nachhaltig von der Explosion des E-Commerce in der Schweiz profitieren (+8 % Umsatz im Jahr 2019 und Erwartungen von über 30 % für 2020). Hinzu kommt die Weiterentwicklung lokaler Akteure und die Niederlassung internationaler Giganten in diesem Sektor (insbesondere mit der erklärten Absicht von Amazon, drei Datenzentren für sein Tochterunternehmen AWS zu eröffnen).
 

Wie bei anderen Immobiliensegmenten kommt es darauf an, den lokalen Markt gut zu kennen und eine Strategie umzusetzen, die flexibel genug ist, um sich an die wandelnden Bedürfnisse der Gewerbe- und Industriebetriebe und der Erwerbstätigenarchitecture-2717809.jpg anzupassen (erhöhte Nachfrage nach Flächen in den Bereichen Logistik und Lagerung, Rechenzentren, Co-Working und anderen).
 

Darüber hinaus sind ESG-Faktoren insbesondere für institutionelle Anleger von wesentlicher Bedeutung. Doch beschränkt sich dieser Aspekt nicht auf die Umweltproblematik wie den Bau von CO2-neutralen Gebäuden, die Bevorzugung der Gebäudesanierung gegenüber dem Abriss, der eine höhere CO2-Belastung wäre, und den Rückgriff auf erneuerbare Energien, insbesondere auf Solarenergie. Es geht auch um den «sozialen» Aspekt, denn KMU und Kleinstunternehmen, die den grössten Arbeitgeber in der Schweiz darstellen, brauchen Strukturen zu vernünftigen Preisen und Bedingungen, die flexibel genug sind, damit sie ihre Tätigkeit weiterführen können.
 

Laut Laure Carrard, CIIA bei IMvestir Partners SA, bieten die Segmente Industrie-, Gewerbe- und Logistikimmobilien als Nischenmärkte ein sehr grosses Potenzial für Anleger. Sie erinnert daran, dass es für Fondsmanager nicht nur unerlässlich ist, echte Experten auf diesem Markt zu sein, sondern dass sie zudem über ein ausgezeichnetes Netzwerk verfügen müssen. Nur so sei es ihnen möglich, geeignete Immobilien oder Grundstücke zu «aufzuspüren», die ihren Dealflow in Gang halten. Sie betont zudem, dass Vermarktungsstärke in diesem Sektor unerlässlich ist, will man seinen Cashflow langfristig aufrechterhalten.
 

In diesem Zusammenhang nennt sie das Unternehmen Procimmo, das auf Industrie- und Gewerbeimmobilien spezialisiert ist und Anlegern verschiedene Anlageinstrumente bietet: die Branchenfonds Swiss Commercial P1 und P2, den Fonds P56 für qualifizierte Anleger und den Fonds Streetbox, der in modulare Industriehallen investiert. Sie erwähnt auch den von Credit Suisse im Jahr 2014 gegründeten den CS Real Estate Fund LogisticPlus, dessen Performance im Jahr 2020 stark von der Explosion des E-Commerce profitiert.

 Véronique Bühlmann für Voxia.