Höhere Zinsen wirken sich auf Investitionen in indirekte Immobilienanlagen aus

23/11/2022

Olivier Toublan

Immoday

10 Min

Von den Auswirkungen der höheren Zinsen auf die Investitionen der institutionellen Anleger in indirekte Immobilienanlagen wird kaum gesprochen. Doch gerade in diesem Bereich waren die Auswirkungen am stärksten und am schnellsten spürbar. Und es ist noch nicht vorbei, so die Experten der Credit Suisse.

 

Die Schweizerische Nationalbank hat vor Kurzem die Leitzinsen angehoben und zu verstehen gegeben, dass der Erhöhungszyklus noch nicht zu Ende ist. Dies wird sich logischerweise auf die Immobilienpreise auswirken.
 

Seltsamerweise sind diese Auswirkungen in der Schweiz noch nicht zu spüren. In der letzten Ausgabe des Immobilienmonitors halten die Ökonomen der Credit Suisse diesbezüglich fest: «Bis zum Spätsommer 2022 waren in der Schweiz keine rückläufigen Immobilienpreise festzustellen – mit Ausnahme von speziellen Teilsegmenten. Dies im Gegensatz zu gewissen ausländischen Märkten wie Kanada, Neuseeland, Schweden oder Australien, wo die Preise bereits korrigieren.» 
 

Allerdings steht für die Spezialisten der Bank fest, dass die Zinserhöhung nicht ohne Folgen bleiben wird: «Ob die Immobilienpreise in der Schweiz dem Druck der steigenden Zinsen auch langfristig werden standhalten können, ist schwierig zu beurteilen.»

 

Solide Wirtschaft stützt Immobilienmarkt 
 

Wie lässt sich die aktuelle Widerstandskraft des Immobilienmarkts erklären? Laut Credit Suisse dürfte diese der guten Verfassung der Schweizer Wirtschaft zu verdanken sein. «Noch nie wurden in der Schweiz derart viele Stellen geschaffen wie im 2. Quartal des laufenden Jahres.» Dies hat zur Folge, dass die Konsumenten zuversichtlich sind und kauffreudig bleiben, obwohl sich die Konsumentenstimmung gemäss offiziellen Umfragen eintrübt. 
 

Gleichzeitig beflügeln die Zuwanderung und das Bevölkerungswachstum die Nachfrage nach Wohnraum, während die Bautätigkeit im Grossen und Ganzen rückläufig ist. Dies hat dazu geführt, dass sich der Rückgang der Leerstände im 1. Halbjahr 2022 beschleunigt hat – und die Preise hoch bleiben.
 

Es dürfte aber nur eine Frage der Zeit sein, bis der Schweizer Immobilienmarkt – der sich aktuell dank dem guten Wirtschaftsumfeld zu behaupten vermag – ins Stocken gerät. «Die Resilienz des Marktes ist jedoch nicht absolut, und Wertkorrekturen sind mittelfristig wohl nicht zu vermeiden», so die Credit Suisse. Erste Anzeichen sind bereits festzustellen: «Konnten Makler in der Vergangenheit noch aus 15 bis 20 Interessenten pro Eigentumsobjekt auswählen, sind es derzeit vielleicht noch drei bis vier.»

 

Weniger Interesse für indirekte Immobilienanlagen 
 

Die Auswirkungen der höheren Zinsen sind zwar noch nicht bei den Immobilienpreisen zu beobachten, sind aber schon jetzt bei den indirekten Immobilienanlagen festzustellen. Jahrelang – als die Zinsen negativ waren – waren Immobilienanlagen für institutionelle Anleger, Versicherungen und Pensionskassen unumgänglich. Doch da die Ausschüttungsrenditen von Immobilienanlagen stetig sinken und die Renditen von Obligationen wieder positiv sind, geht die Attraktivität von Immobilienfonds zurück.
 

«Zwar dürften sich die Immobilieninvestoren mit Umschichtungen in Anleihen vorerst noch zurückhalten, solange sich kein Ende des Reigens der Leitzinserhöhungen durch die Zentralbanken abzeichnet, aber Immobilienanlagen haben trotzdem an Unwiderstehlichkeit eingebüsst», erklären die Ökonomen der Credit Suisse. Starke Auswirkungen der höheren Zinsen auf diesen spezifischen Markt sind bereits spürbar. 
 

 

Rückgang der Fondsanteilskurse 
 

Diese Auswirkungen zeigen sich zunächst am starken Rückgang der Kurse, der seit Jahresbeginn zu beobachten ist. Per Ende September belief sich der Rückgang der Kurse der Anteile der an der Schweizer Börse kotierten Immobilienfonds auf durchschnittlich 25% und lag damit über demjenigen des SPI, der im selben Zeitraum «nur» rund 20% verlor. 
 

Nur ein schwacher Trost für die Schweizer Immobilienfonds: Sie hielten sich besser als ihre ausländischen Pendants. Der Credit Suisse zufolge gaben die europäischen Immobilienaktien seit Jahresbeginn um fast 40% und seit dem Höhepunkt Mitte 2021 um nahezu 50% nach. Auch hier nur ein schwacher Trost: « Eine bessere relative Performance verzeichneten die Aktien von Schweizer Immobiliengesellschaften (–11,0%), die in vielen Fällen auch mit guten Quartalsergebnissen überzeugten.»

 

Stark rückläufige Spreads 
 

Der steile Zinsanstieg seit Dezember 2021 hat der Phase rekordhoher Renditespreads von Schweizer Immobilienanlagen ein Ende gesetzt. «Seit die Renditen 10-jähriger Schweizer Staatsanleihen 2015 in den negativen Bereich fielen, verharrten die Renditedifferenzen auf historisch ausserordentlich hohen Niveaus – im Falle von Immobilienfonds bei mehr als 250 Basispunkten, wobei hier nur die Ausschüttungsrenditen berücksichtigt werden.» Bei Direktanlagen fielen die Renditespreads sogar noch um fast 100 Basispunkte höher aus. Dies hatte zur Folge, dass für institutionelle Anleger kein Weg an Immobilienanlagen vorbeiführte.

Mit dem starken Anstieg der Agios in den letzten Jahren, der sich in steigenden Kursen und automatisch in niedrigeren Ausschüttungsrenditen niederschlug, hatte sich der Spread verengt. Aber er blieb gross genug, um die Anleger zu überzeugen.
 

Mit dem Zinsanstieg hat sich die Situation in wenigen Monaten komplett verändert: Der Spread zwischen der Rendite 10-jähriger Eidgenossen und der Ausschüttungsrendite der Fonds ist weitgehend zu seinem historischen Mittelwert seit 1995 – der bei 167 Basispunkten liegt – zurückgekehrt. 

 

Zu hohe Immobilienquote für die Pensionskassen 
 

Es stellt sich ein weiteres Problem: In den Portfolios der Pensionskassen hat es allmählich zu viel Immobilienanlagen. «Im 2. Quartal 2022 lag die durchschnittliche Immobilienquote der Schweizer Pensionskassen erstmals bei über einem Viertel», so die Credit Suisse. Der jüngste Anstieg sei der zuletzt schwachen Performance von Aktien und Obligationen – und nicht einer Zunahme der Immobilieninvestitionen – zuzuschreiben. «Die Gewichte der wertstabilen direkten Immobilienanlagen und der Anteile von Immobilien-Anlagestiftungen in den Anlageportfolios haben sich also auch ohne vermehrte Zukäufe erhöht.»  
 

Um eine zu starke Abweichung von der strategischen Anlageallokation zu verhindern, dürften Pensionskassen und andere institutionelle Anleger folglich zuletzt Anteile an liquiden Immobilienanlagen (Immobilienfonds und -aktien) abgestossen haben, was deren Kurse im 1. Halbjahr 2022 belastet habe. 

 

Neue Gelegenheiten eröffnen sich 
 

Die Korrektur in den ersten neun Monaten des Jahres 2022 hat nicht nur negative Auswirkungen, meint die Credit Suisse. Sie hat nämlich börsenkotierte Immobilienfonds attraktiver gemacht, von denen sich einige Anleger wegen der zu hohen Agios abgewendet hatten. Diese lagen Ende 2021 bei fast 40% und sind seither stark zurückgegangen. Ende September lagen sie bei rund 13% und damit deutlich unter ihrem langfristigen Durchschnitt von etwas weniger als 20%. Dies könnte für einige mutige Investoren ein Zeichen für interessante Kaufgelegenheiten sein.
 

«Gerade Anlegern, die mit anhaltender Inflation rechnen, bieten liquide Anlagen in Geschäftsimmobilien aufgrund ihrer moderaten relativen Bewertung, ihrer im Vergleich zu Wohnimmobilienfonds höheren Ausschüttung und ihres vergleichsweise guten Inflationsschutzes (indexierte Mietverträge) attraktive Gelegenheiten», erläutern die Ökonomen der Credit Suisse. Bleibt abzuwarten, ob dies genügt, um sie zu überzeugen. Derzeit scheint dies allerdings nicht der Fall zu sein, da die Agios der Geschäftsimmobilienfonds im September sogar kurzzeitig in den negativen Bereich gerutscht sind, was nicht gerade ein Zeichen für Vertrauen in diese Kategorie von Immobilienanlagen ist.
 

Olivier Toublan, Immoday