Immobilien gut – alles gut?

22/12/2020

Voxia

Immoday

6 min

Trotz der Pandemie blieben indirekte Immobilienanlagen relativ stabil, und zwar in einem Masse, dass manche Agios inzwischen fast schon unschicklich erscheinen.

 

Während der ersten Pandemiewelle blieben weder Fonds noch Immobilienaktien vom Einbruch der Märkte verschont. Von Mitte Februar bis Ende März fielen Erstere um durchschnittlich 17 %, Letztere verloren 28 %. Doch konnten sich Fonds seither davon erholen: Zum 1. Dezember hatte der Schweizer Immobilienfonds-Index (SWIIT) seit Jahresbeginn um 4,48 % zugelegt, während der SXI Real Estate Shares (REAL), der Index für Immobilienaktien, um nicht mehr als 12 % gefallen war. Das durchschnittliche Agio für Fonds lag bei 25,08 %, das für Immobilienaktien bei 20,83 % (1). Der Appetit auf Immobilien ist also nach wie vor gross: Die Fundamentaldaten und insbesondere die Rendite der auf 7–10 Jahre angelegten Bundesanleihen zu -0,58 % befeuern ihn weiterhin.
 

Was sich jedoch verändert hat und was diese Durchschnittswerte verbergen, ist die grosse Diskrepanz zwischen den Ergebnissen der verschiedenen Immobilienvermögen. Bei Fonds reicht die Performance für die ersten 11 Monate des Jahres 2020 von -21,14 % (CS REF Hospitality) bis +21,64 % (CS Ref Logistik plus), während die Agios eine Spanne von -11,70 % (CS REF Hospitality) bis +75,46 % (Streetbox Real Estate Fund) verzeichnen. Die Performance von Immobilienaktien wiederum zeigt Unterschiede von -23,50 % (Swiss Prime Site) bis +18,89 % (Fundamenta Real Estate) und beim Aufgeld von -0,63 % (SF Urban Properties) bis +66,21 % (Intershop).
 

Teure Aktien sind ungeliebte Aktien

Diese Zahlen geben Anlass zu einer ersten Feststellung: Immobilienaktien waren von den durch die Pandemie verursachten Turbulenzen stark getroffen, während Fonds relativ stabil geblieben sind. Abgesehen von der Struktur, die Fondsanteilen einen Puffer (2) verschafft, der bei Aktien, die nur an der Börse gehandelt werden können, jedoch fehlt, erklären mehrere Faktoren die Anfälligkeit der Letzteren.
 

Zu Beginn des Jahres konnten Immobilienaktien einen starken Anstieg verzeichnen, so dass Ende Januar ihr durchschnittliches Agio bei 52 % lag. Dieses Aufgeld befindet sich nicht nur seit 20 Jahren auf Rekordniveau, sondern liegt auch deutlich über dem bisherigen Höchststand von 31 % aus dem Jahr 2007. Zudem war der Unterschied zwischen diesem Aufschlag und dem Agio von Fonds noch nie so gross (15 % Ende Januar). Mit anderen Worten: Immobilienaktien waren zu Beginn des Jahres übermässig teuer ... bis die Gesundheitskrise ausbrach.
 

Das Branchenrisiko

Ein weiterer Faktor, der Immobilienaktien anfällig macht, ergibt sich aus ihrer Exposition in den verschiedenen Segmenten des Immobilienmarktes. Immobiliengesellschaften sind stärker auf Büros, Einzelhandelsflächen, Hotels und Restaurants ausgerichtet als Immobilienfonds, die den grössten Teil ihrer Erträge aus Wohnimmobilien beziehen. Allerdings zählten diese Segmente zu den Ersten, die von der Pandemie betroffen waren, was sich auf die Mieteinnahmen ausgewirkt hat. Längerfristig wird dies auch die Leerstandsquote beeinflussen. Abgesehen von direkten Auswirkungen hat die Pandemie tieferliegende Trends wie die Ausweitung von Onlineshopping und Homeoffice verstärkt oder zutage befördert.
 

Demnach war diese Exposition ein wichtiger Faktor für alle Anlageinstrumente. Unter den Immobilienfonds erzielte der Credit Suisse Real Estate Fund LogisticsPlus seit Jahresbeginn die beste Performance. Der führende Logistik-Immobilienfonds dmika-korhonen-pNLLzCPrXec-unsplash.jpger Schweiz investiert zu 75 % in Logistik- und Warenverteilzentren (Lagerhallen, Umschlagdepots, Hochregallager) sowie Rechenzentren.
 

Im Gegensatz zu den meisten seiner Konkurrenten hat der Fonds unzweifelhaft von den Folgen der Pandemie «profitiert». Die zwei durch das Coronavirus bedingten Markteinbrüche bekam zwar auch er zu spüren, doch erholte er sich und legte im Oktober um 1,38 % zu, wohingegen der Immobilienfonds-Index um 1,77 % fiel. Zwischen Jahresbeginn und Ende Oktober lag seine Performance bei 5,38 % gegenüber den 0,38 %, die der Index verzeichnen konnte.
 

Der Credit Suisse Real Estate Fund Hospitality jedoch bildet in Bezug auf seine Performance seit Jahresbeginn das Schlusslicht der Rangliste. Dieses Ergebnis ist vor allem darauf zurückzuführen, dass er fast ausschliesslich in den von der Pandemie am stärksten betroffenen Branchen aktiv ist. Sein Fokus liegt nämlich auf temporären Unterkünften und Tourismus (Kongresszentren, Hotels, Gebäude mit hotelähnlichen Dienstleistungen). Sein Aktienkurs fiel im Oktober um 5,02 % und in den letzten drei Monaten um 11,81 %, wobei dieser Rückgang seit Beginn der Pandemie praktisch ununterbrochen war.
 

Positionierung ist alles

In puncto Agio geht der erste Preis an einen weiteren «Aussenseiter»: den Streetbox Real Estate Fund, der insbesondere in modulare Industriehallen am Stadtrand und entlang von Autobahnstrecken investiert. Auch er hat wahrscheinlich vom Logistik-Boom profitiert, nicht zuletzt, weil er ein «modulares» Angebot führt. So heisst es im Geschäftsbericht vom 30. September 2020: «Die tatsächlichen Mietausfälle, die in direktem Zusammenhang mit COVID-Vereinbarungen stehen ... belaufen sich auf CHF 9.144, was 0,08 % der Gesamteinnahmen entspricht.» Und mit Blick auf die Zukunft: «Angesichts der niedrigen Beträge in Zusammenhang mit der ersten COVID-Welle ist das Unternehmen der Ansicht, dass die Auswirkungen einer möglichen zweiten Welle auf die Einnahmen vernachlässigbar sein werden.»
 

Für Patrick Djizmedjian, Leiter der Abteilung Investor Relations bei der Procimmo SA, die den Streetbox Funds verwaltet, erklärt sich die Höhe des Agios wie folgt: «Es gibt eine hohe Nachfrage nach diesem Fonds, während auf dem Markt praktisch keine Anteile verfügbar sind. Ein weiterer Grund könnte sein, dass dieser Fonds fast jedes Jahr höhere Dividenden gezahlt hat. Das einzigartige Konzept des Fonds besteht übrigens darin, durch die Entwicklung neuer Streetbox-Standorte einen Mehrwert für den Anteilsinhaber zu schaffen. Durch diese Standorte kann der Fonds zusätzliche Mieten erzielen, was möglicherweise ein weiterer Grund für seinen Erfolg ist.»
 

Originalität allein genügt jedoch nicht, um Investoren zu begeistern. La Foncière, ein Immobilienfonds, der sich auf Wohnimmobilien für die Mittelschicht spezialisiert hat und hauptsächlich in der Romandie angesiedelt ist, liegt mit einem Agio von 64,67 % auf Platz zwei. Geschäftsführer Arnaud de Jamblinne erklärt: «In unruhigen Zeiten wie diesen profitieren wir von unserer exklusiven Positionierung im Bereich hochwertiger Wohnimmobilien und von unserer Unternehmensgeschichte.» Der 1954 aufgelegte Fonds erzielt regelmässig ein überdurchschnittliches Agio, und die letzte Kapitalerhöhung, die im März inmitten der Gesundheitskrise stattfand, wurde vollständig gezeichnet.

 

Immobilienaktien: Rückkehr in Sicht?

Auf der Seite der Immobiliengesellschaften hat Swiss Prime Site ein turbulentes Jahr hinter sich: Ihr Aktienkurs fiel von CHF 115.10 Anfang 2020 auf CHF 82.10 Anfang Dezember und sank auf dem Höhepunkt der Gesundheitskrise am 23. März auf CHF 89.25. Wie andere Mitbewerber litt sie stark, da sie in dstaircase-962784_1920.jpgen am meisten gefährdeten Segmenten präsent ist. Laut dem letzten Geschäftsbericht, der Ende Oktober veröffentlicht wurde, setzte sich ihr Portfolio im ersten Halbjahr 2020 wie folgt zusammen: 45 % Büroflächen, 26 % Einzelhandel, 7 % Hotel/Restaurant und nur 1 % Wohnimmobilien. Doch trotz geringer Umsätze, die zudem niedriger ausfielen als erwartet, und Mietbefreiungen in Höhe von CHF 1.1 Mio. wird Swiss Prime Site von den Investoren nicht völlig ignoriert. Ende November gelang es dem Unternehmen, eine grüne Anleihe in Höhe von CHF 300 Mio. mit einer Laufzeit bis 2029 zu platzieren. Interessant ist auch, dass das Unternehmen beabsichtigt, sein Angebot an Immobilienfonds zu erweitern, von denen die ersten bereits im Jahr 2021 aufgelegt werden sollen.
 

Im Gegensatz dazu erzielte Fundamenta Real Estate in diesem Jahr die beste Performance in diesem Segment. Dies ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass das Unternehmen atypisch grösstenteils in Wohnimmobilien der Mittelschicht in der Deutschschweiz investiert. Andreas Spahni, Präsident und Vertreter des Verwaltungsrats, stellte anhand der Zahlen von Ende Juni fest, dass «die Corona-Krise nur einen sehr geringen Einfluss auf unser Halbjahresergebnis hatte, was zeigt, dass unser Immobilienportfolio auch in aussergewöhnlichen Zeiten stabil bleibt.» Diese Stabilität spiegelt sich auch in der Entwicklung der Unternehmensaktie wider, die zum 30. Juni 2020 einen bemerkenswerten Anstieg von 6,5 % verzeichnete. Der Geschäftsbericht von Fundamenta kommt zu dem Schluss: «Diese Aktie zählt zu den Aktien mit der besten Performance im Immobiliensektor.» Und wie das Ergebnis vom Dezember zeigt, ist sie nach wie vor gefragt.

 

Mit Blick auf die Zukunft sind einige Analysten der Meinung, dass die Zeit reif sei, wieder in den Bürosektor einzusteigen, da die schlechten Nachrichten bereits in den Kursen berücksichtigt sind. Andere zeigen sich skeptischer, da es sich hier um ein Segment handelt, das – und das sollte nicht vergessen werden – relativ illiquid bleibt. Wie Roland Vögele von MV Invest in seinem jüngsten Kommentar feststellte: «Angesichts der Preise, die für Immobilienanlagen gezahlt werden, ob direkt oder indirekt, fragt man sich, wo Investoren in den kommenden Jahren nach potenziellen Kapitalgewinnen suchen werden. Sind Dividendenrenditen von 1,5 % ausreichend? Sind Agios von 65 % nicht übertrieben?»

 

 

(1)     Quelle: MV Invest, Daten vom 1. Dezember 2020.
(2) Bei börsenkotierten Schweizer Immobilienfonds kann der Anleger von der emittierenden Verwaltungsgesellschaft des Fonds jederzeit die Rücknahme seiner Anteile zum Ende des Geschäftsjahres unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 12 Monaten verlangen. Normalerweise wird der Rücknahmebetrag auf der Grundlage des Nettoinventarwerts (NIW) nach Abzug der Rücknahmegebühr ermittelt. Diese Gebühr ist von Fonds zu Fonds unterschiedlich und beträgt maximal 5 %. Ein Rücknahmeantrag lohnt sich nur, wenn der zu erwartende Rücknahmebetrag höher ist als der Börsenkurs, das heisst, der NIW abzüglich der Kosten könnte als «Puffer» dienen.
Véronique Bühlmann für Voxia