Wo liegt die kritische Grösse eines Immobilienanlagefonds?

24/02/2022

Immoday

Olivier Toublan

3 Min

 

Für die meisten neu lancierten Immobilienanlagevehikel besteht eines ihrer Hauptziele darin, das Interesse der institutionellen Anleger zu gewinnen. Hierzu müssen sie jedoch die kritische Grösse haben. Doch wo genau liegt diese? Bei wie vielen hundert Millionen? Die Fondsmanager antworten.

 

In allen Wirtschaftssektoren ist die kritische Grösse ein zentrales Kriterium. Auf die Finanzen, die Vermögensverwaltung, das Asset Management oder auf die Immobilienanlagefonds trifft dies ganz besonders zu. In letzterem Bereich ist die Frage deshalb so wichtig, weil sich die grossen institutionellen Investoren – so behaupten einige Verwalter – nicht einmal auf eine Diskussion einlassen, wenn der Fonds nicht eine bestimmte Grösse hat. Doch wo genau liegt diese kritische Grösse? (Antwort für die Leserschaft, die es eilig hat: Sie liegt bei einem universellen Fonds bei mindestens 1 Milliarde Franken.)
 

Befragen wir zuerst die bereits gut etablierten Fonds, die an der Börse kotiert sind, einen beachtlichen Track Record vorweisen können und erfahrene Manager haben, kurzum die Vehikel wie La Foncière, die bei den grossen institutionellen Anlegern so begehrt sind. Arnaud de Jamblinne ist seit fast 25 Jahren der CEO dieses Fonds und kennt daher die Branche bestens. «Was die kritische Grösse eines Immobilienfonds ist? Das ist eine legitime Frage, die ich mir gestellt habe, als ich meine Stelle als CEO von La Foncière angetreten habe. Ich habe mich an die Investoren gewandt, um zu erfahren, was der Markt erwartet. Für sie war die Antwort ganz einfach: Die börsenkotierten Anteile müssen liquide genug sein. Dies bedeutet, dass die kritische Grösse heute zwischen 1 und 1,5 Milliarden Franken liegt.» La Foncière erfüllt dieses Kriterium: Die Gesellschaft gehört derzeit zu den zehn grössten Fonds der Branche in der Schweiz, mit einem Nettoimmobilienvermögen von 1,6 Milliarden Franken und einer Börsenkapitalisierung von etwas mehr als 2 Milliarden Franken.

 

Die Liquidität des Fonds ist massgeblich
 

Agnès Haulbert, Head of Portfolio Management Real Estate bei Patrimonium, verantwortlich für den Patrimonium Swiss Real Estate Fund, stösst ins selbe Horn: «Wo heute die kritische Grösse für einen Immobilienfonds in der Schweiz liegt? Ich würde sagen, bei mindestens 1 Milliarde Franken. Ist der Fonds kleiner, wird er Mühe haben, gewisse institutionelle Anleger zu überzeugen.»
 

Es scheint, als hätten sich alle von uns befragten Experten abgesprochen, denn ähnlich klingt es auch bei Arnaud Andrieu, CEO von Edmond de Rothschild Real Estate Investment Management (Suisse): «Wo die kritische Grösse für einen Immobilienfonds in der Schweiz liegt? Ich würde sagen, bei kotierten Schweizer Fonds zwischen 1,5 und 2 Milliarden Franken.» Diego Reyes, leitender Manager des Dominicé Swiss Property Fund (DSPF), bestätigt: «Die kritische Grösse? 1 Milliarde Franken.» In seinen Augen ist dies der Mindestbetrag, um bei grossen institutionellen Anlegern Anklang zu finden. «Sie legen grossen Wert auf die Liquidität des Fonds. Und diese hängt in der Regel von der Grösse des Fonds ab. Sie ziehen Investitionen in Vehikel mit einer grossen Liquidität vor, weil sie so Anteile rasch verkaufen können.»
 

Laure Carrard, Spezialistin für indirekte Immobilienfonds und Geschäftsführerin der IMvestir Partners SA, eines Beratungsunternehmens für indirekte Immobilienanlagen, fügt hinzu, dass für die institutionellen Anleger die kritische Grösse auch eine Garantie für die Diversifikation des Immobilienportfolios des Fonds ist. «Die kritische Grösse ermöglicht eine ausreichende Diversifikation und damit eine Begrenzung der regionalen oder segmentbezogenen Risiken.» Laure Carrard, die als Senior Real Estate Portfolio Manager bei Retraites Populaires lange auch im «Lager» der institutionellen Anleger tätig war, schlussfolgert: «Wenn man diese kritische Grösse – wo auch immer sie liegen mag (sie schätzt sie auf deutlich weniger als 1 Milliarde) – nicht erreicht, dann ist ein Immobilienfonds für einen institutionellen Anleger nur selten interessant.»

 

Die Einschränkungen der institutionellen Investoren

 

Diese Analyse bestätigt auch Lucia Morgillo, CEO von IMvestir und ehemalige Leiterin der Abteilung Fund Services der Banque Cantonale Vaudoise. Sie ist der Auffassung, dass die institutionellen Anleger und grossen Pensionskassen häufig eine «Mainstream»-Strategie verfolgen und lieber in Anteile sehr grosser Fonds mit einer Allround-Anlagestrategie investieren, weil so a priori das Risiko minimiert werde. «Hinzu kommt, dass die grossen Pensionskassen hohe Summen investieren und dabei Einschränkungen bei der Beherrschungsquote unterliegen, d. h., ihre Investitionen dürfen nicht mehr als 5 oder 10% des Fonds ausmachen. Dies ist häufig der Grund, weshalb sich die grossen Pensionskassen gegen die Zeichnung von Anteilen kleinerer Immobilienvehikel entscheiden», fügt die Spezialistin hinzu.
 

Fazit: Die grosse Mehrheit der Manager scheint sich darin einig zu sein, dass die kritische Grösse, also die Grösse, die notwendig ist, um das Interesse der grossen institutionellen Anleger zu wecken, bei einem universellen Immobilienfonds bei mindestens 1 Milliarde Franken liegt. Was also soll man tun, wenn man ein Nischenfonds ist oder wenn man ein neues Anlagevehikel auf den Markt bringt, dessen Immobilienvermögen deutlich unter einer Milliarde liegt? Die Antworten im zweiten Teil unserer Befragung.
 

Olivier Toublan für Immoday