'COVID 19'-Interview - Philippe Zufferey, Leiter des Depotbankgeschäfts der BCV

14/04/2020

Immoday

Redaktion

4 min

Zu diesem ersten "COVID 19"-Interview begrüssen wir Philippe Zufferey, Leiter des Depotbankgeschäfts der BCV.
 

Herr Zufferey, wie geht es Ihnen und wo befinden Sie sich momentan?


Danke, mir geht es gesundheitlich und auch sonst gut.

Momentan befinde ich mich in meinem Büro im Centre Administratif Bancaire, dem Verwaltungsgebäude der BCV, in Prilly. Nach Bekanntgabe der Schulschliessungen durch die Waadtländer Regierung ergriff die Bank um-gehend organisatorische Massnahmen. Heute arbeitet die Hälfte unserer Mitarbeitenden im Homeoffice, sodass sie ihre Kinder betreuen und die vom BAG empfohlenen Social‑Distancing-Massnahmen einhalten können. Unser Hauptanliegen war es, unsere Mitarbeitenden zu schützen und unsere Kernaktivitäten aufrechtzuerhalten, und das ist uns gelungen.
 

In meiner Abteilung sind die Möglichkeiten für Telearbeit beschränkter als in anderen Geschäftsbereichen, denn bei der Depotbank müssen wir Zugriff auf die Börsen- und Interbankensysteme haben.

 

Können Sie uns ein paar Worte zu ihrer Funktion und ihrer Person sagen?


Ich leite bei der BCV die Abteilung Depotbank, die seit vielen Jahren Dienstleistungen für schweizerische kollektive Kapitalanlagen anbietet. In meiner Funktion bin ich verantwortlich für ein 15‑köpfiges Team, das vor allem Schweizer Immobilienfonds betreut. Unseren rund dreissig Kunden bieten wir eine umfassende Palette an Banking-Services an: Verwahrung des Fondsvermögens, Kontoführung und Zahlungsverkehr, Emission von Fondsanteilen, Gewährleistung des börslichen und ausserbörslichen Sekundärhandels, Market-Making sowie Hypothekarfinanzierung. Bei Letzterem werden wir von unseren Kolleginnen und Kollegen der Division Corporate Banking unterstützt.

Privat bin ich Vater von vier Kindern und seit über 20 Jahren mit meiner Frau Annezo, die aus Mauritius stammt, verheiratet. Eine meiner grössten Leidenschaften ist Fussball und nachdem ich lange selbst gespielt habe, trainiere ich nun schon seit bald 10 Jahren Junioren im Alter von 15 bis 17 Jahren. Dies verlangt grosses persönliches Engagement, aber es macht mir enorm viel Spass, die Freude am Sport mit jungen Menschen zu teilen und ihnen Werte zu vermitteln, die mir persönlich wichtig sind.
 

Welche Rolle spielt die BCV im Bereich der indirekten Immobilienanlagen in der Schweiz?


Die BCV ist seit gut 15 Jahren als Bankdienstleisterin für Schweizer Immobilienfonds aktiv, vornehmlich als Depotbank. Heute gehören wir schweizweit zu den führenden Anbietern in diesem Bereich und verwahren von gut der Hälfte aller schweizerischen Immobilienfonds die Vermögenswerte.
 

Dank unserem in den letzten 15 Jahren gewonnenen Know-how sind wir imstande, unserer Kundschaft Dienstleistungen mtower-5402424_1920.jpgit bedeutendem Mehrwert zu bieten und wir unterhalten langfristige Vertrauensbeziehungen zu renommierten Marktakteuren wie Procimmo, Realstone, der Bank Edmond de Rothschild, der Zurich Versicherung, der Mobiliar usw. Unsere Kunden können während des ganzen Lebenszyklus ihrer Fonds auf unsere Unterstützung zählen: von der Strukturierung bis zum erfolgreichen Handel an den Finanzmärkten. 

Um Ihnen eine Vorstellung von der Grössenordnung zu geben: Die BCV-Depotbank verwahrt Vermögen in Höhe von rund CHF 27 Milliarden; etwas weniger als die Hälfte davon entfällt auf Immobilienfonds.
 

Wie hat die BCV auf die Corona-Krise reagiert?


Zur Einhaltung der Empfehlungen des BAG musste unsere Arbeit nach zwei Grundsätzen neu organisiert werden: Wo immer möglich Arbeit im Homeoffice und in allen Fällen, in denen die physische Präsenz in der Bank unabdingbar ist, räumliche Distanzierung der Mitarbeitenden einerseits durch die Verteilung auf die verschiedenen Standorte der Bank und andererseits durch die Einführung von Schichtarbeit. Eine der grössten Herausforderungen bestand darin, umgehend sichere Homeoffice-Lösungen für die von zuhause ausarbeitenden Mitarbeitenden einzurichten, um Betrug oder den Diebstahl sensibler Daten zu verhindern. Bei der Depotbank haben wir uns rasch organisiert, sodass wir unsere Kundinnen und Kunden ohne Unterbruch bedienen konnten.
 

Welche Auswirkungen hat diese Krise Ihres Erachtens auf den Immobiliensektor, die indirekten Immobilienanlagen und last but not least die Depotbanktätigkeit?


Als Depotbank erleben wir diese Krise bei unseren Kunden hautnah mit und verstehen sowohl ihre Bedenken als auch ihre Sicht der Dinge. Die hohe Marktvolatilität in den ersten zwei Wochen des Lockdowns setzte uns allen zu. Die Kurse der Immobilienfonds brachen zwar weniger massiv ein als jene der Aktien, aber doch immerhin um 15 bis 20%, bevor es dann wieder aufwärtsging.
 

Als die Zahl der Verkaufsaufträge auf diesem nicht besonders liquiden Markt stark anstieg, leisteten unsere Teams bei der Suche nach geeigneten Gegenparteien hervorragende Arbeit. Sie liessen ihre Kontakte spielen und machten sich auf die Suche nach Investoren, die bereit waren, gegen den Strom zu schwimmen und die Krise zu nutzen, um zu unseres Erachtens äusserst attraktiven Preisen in den Markt einzusteigen. Dies trug sicherlich dazu bei, noch stärkere Kurseinbrüche zu vermeiden und die Erholung am Markt zu begünstigen.


Die Situation veranlasste überdies mehrere Fonds dazu, ihre Anlegerinnen und Anleger besser über die Lage sowie die Risiken zu informieren, die mit der Zusammensetzung ihres Immobilienportfolios und mit den verschiedenen Szenarien für den Weg aus der Krise verbundenen sind. Eine rasche, transparente und proaktive Kommunikation trägt massgeblich zur Erhaltung des Vertrauens bei. In unserer Branche, wo der regelmässige Austausch mit den Anlegerinnen und Anlegern und dem Markt im Allgemeinen ohnehin Pflicht ist, wird eine solche Kommunikation sicher die Norm werden.
 

Der Ausbruch der Krise führte im Bereich der indirekten Immobilienanlagen zu einem jähen Stimmungsumbruch: Nach einer relativ euphorischen Phase mit sehr tiefen Zinsen schwebt nun das Damoklesschwert der Ungewissheit über dem Markt. Einige Kunden legten ihre neuen Fonds trotz Krise plangemäss auf, und dies mit dem erhofften Erfolg. Viele Marktakteure haben hingegen ihre Transaktionen am Primärmarkt ins 2. Quartal 2020 verschoben, in der Hoffnung, dass sich die Marktlage bis dahin verbessere. Dies hat natürlich auch Auswirkungen für unsere Depotbank, die bei dieser Art von Geschäften üblicherweise eine wichtige Rolle spielt.
 

Fungieren die indirekten Immobilienanlagen heute als Fluchtwert? Wo sehen Sie die Branche am 31.12.2020?


Den indirekten Immobilienanlagen liegen letztlich immer Immobilien, also Sachwerte von zumeist sehr guter Qualität, zugrunde. In den Portfolios der institutionellen Anleger sind Immobilienanlagen schon seit langer Zeit ein Muss. Auch in der heutigen Krise spielt diese Anlageklasse aufgrund ihrer stabilisierenden Wirkung eine sehr wichtigCompressed.jpge Rolle in der Portfolioverwaltung, insbesondere als Gegengewicht zu den überaus volatilen Aktien. Für Schweizer Anlegerinnen und Anleger stellen die indirekten Immobilienanlagen in Schweizer Franken tatsächlich einen Fluchtwert dar, der sogar noch eine regelmässige und attraktive Dividende abzuwerfen vermag. Die gegenwärtige Krise wird sich bei bestimmten Immobilien jedoch zweifellos stark auf die Nachfrage auswirken und könnte einige Trends beschleunigen, die sich bereits vor der Krise abgezeichnet hatten. Ich denke hierbei an den wachsenden Onlinehandel oder die Telearbeit, die Entwicklung von Dienstleistungen für Mieterinnen und Mieter – vor allem persönliche Dienstleistungen für Seniorinnen und Senioren – und die Nachfrage nach Low-Cost-Immobilien. Es ist daher wichtig, seine Immobilieninvestitionen unter Berücksichtigung dieser Trends zu tätigen.
 

Alles in allem bin ich bezüglich der indirekten Immobilienanlagen sehr zuversichtlich. Diesen dürfte – gerade in Krisenzeiten – der Umstand zugutekommen, dass sie stärker diversifiziert sind und von einer professionelleren Immobilienverwaltung profitieren als im Direkteigentum gehaltene Immobilien, deren Wert und Mieten stark von der Konjunkturentwicklung abhängig sein können.
 

Schliesslich sollte man nicht vergessen, dass vor Ausbruch der Gesundheitskrise die Klimakrise eine unserer Hauptsorgen war. Heute ist von massiven staatlichen Finanzhilfen zur Rettung der Unternehmen die Rede. Ist die aktuelle Krise erst einmal überstanden, dürfte der Neustart ins Zentrum des Interesses rücken. Hier könnten auch Umweltschutzinvestitionen eine Rolle spielen. Die Eigentümer von Immobilienparks könnten sich folglich aufgefordert sehen, Investitionen zur Anpassung ihrer Objekte an die neuen Umweltanforderungen zu tätigen. Angesichts des gleichzeitigen Bedarfs an Finanzierung und technischer Expertise ist es gut möglich, dass sich nicht nur viele Anlegerinnen und Anleger, sondern auch zahlreiche Immobilienbesitzerin-nen und ‑besitzer für indirekte Immobilienanlagen entscheiden werden.

Auch Unternehmen, die Eigentümer ihrer Produktionsflächen sind, sollten sich mit dem Thema auseinandersetzen, wenn es um die Finanzierung ihrer digitalen und/oder ökologischen Wende geht. Sie könnten sich mit folgendem Dilemma konfrontiert sehen: Soll sich das Unternehmen für seine Digitalisierung und die Anpassung der Produktionsflächen an die Umweltnormen verschulden? Oder ist es vorzuziehen, die Liegenschaft zu verkaufen, um in erster Linie die digitale Wende und die Unternehmensstrategie zu finanzieren? Mir scheint, die Antwort liege auf der Hand.
 

Wird diese Krise auch für Sie persönlich etwas ändern?


Wir alle durchleben sowohl privat als auch beruflich eine besondere Zeit, die es uns erlaubt, auch innerlich Abstand zu nehmen und uns zu fragen, wer wir sind, was wir machen und wo unsere Prioritäten liegen. Vielen von uns, für die kontinuierliches Wachstum bis anhin die Norm war, wird angesichts dieser globalen Krise plötzlich bewusst, wie klein und unbedeutend wir im Verhältnis zu manchen Dingen sind. Dies sollte uns eine Lehre für die Zukunft sein und uns dazu mahnen, unsere Konsum- und Lebensgewohnheiten mehr in Einklang mit der Umwelt zu bringen, besser auf unsere Kinder einzugehen, ihre Sorgen ernst zu nehmen – und ihnen trotz allem ein positives Bild des Menschen zu vermitteln. Einem Wesen, das trotz all seiner Irrungen solidarisch, mitfühlend, altruistisch und liebevoll sein kann. So klatschen wir jeden Abend für das Gesundheitspersonal und alle anderen, die für uns Risiken eingehen, damit wir ein fast normales Leben führen können.

Immoday - interviewt von Philippe Perret du Cray am 14. April 2020