Der Immobilien-Stresstest

22/07/2021

Deloitte

COPTIS

3 min

Bis Ende 2021 müssen Immobilienfondsmanager ihre Analyse zu Liquiditätsrisiken in der Vermögensverwaltung unter Einbeziehung verschiedener Szenarien erstellen und gegenüber der Aufsichtsbehörde nachweisen.

 

Dabei handelt es sich um eine gesetzliche Vorgabe, die im Zuge der FINMA-Verordnung eingeführt wurde und alle Arten von offenen Investmentfonds betrifft. Das Liquiditätsrisiko ist das Risiko, seine Zahlungsverpflichtungen einschliesslich der Rücknahmeanträge der Anleger nicht erfüllen zu können. Bei Immobilienfonds sind dies insbesondere Verpflichtungen im Zusammenhang mit Bau- und/oder Renovationsprojekten oder Anträge von Anlegern auf Rücknahme von Fondsanteilen.

 

Zur Erfüllung seiner Verpflichtungen stehen dem Fonds und seinem Manager verschiedene Instrumente zur Verfügung, nämlich:
 

1) die Verschuldung bis zur gesetzlichen Grenze von einem Drittel des Werts der Immobilien,
 

2) die im laufenden Verwaltungsbetrieb erwirtschaftete Liquidität, die im Allgemeinen zur Zahlung der jährlichen Dividende verwendet wird,
 

3) der Verkauf von Gebäuden,
 

4) die Kapitalerhöhung und
 

5) als letztes Mittel die Aussetzung von Rückkäufen.

 

Anschliessend erfolgt die Darstellung verschiedener Szenarien, wobei die Liquiditätsrisikofaktoren gegenüber den Aktiva und Passiva des Fonds identifiziert und die Auswirkungen dieser Szenarien sowohl unter normalen Markt- als auch unter Krisenbedingungen simuliert werden.

 

Auf der Aktivseite wird eine Schätzung der Liquidität der Gebäude vorgenommen: Wie gross ist das Volumen der Gebäude, das zu einem akzeptablen Preis (mindestens in Höhe des geschätzten Werts) über einen bestimmten Zeithorizont (in der Regel ein Jahr, unter Berücksichtigung der gesetzlich möglichen Häufigkeit von Rückkäufen) verkauft werden kann.

 

Auf der Seite der Passiva müssen Verpflichtungen aus Bau/Renovationen, Investitionsausgaben (CAPEX) für Gebäude zur Werterhaltung, aus Rücknahmeanträgen und Fälligkeiten von Hypotheken ermittelt werden. Angesichts der Häufigkeit von Rücknahmen (einmal pro Jahr) und der Kündigungsfrist (12 Monate) ist das daraus resultierende Risiko niedrig. Bei einem hohen Aufgeld (Differenz zwischen dem Aktienkurs an der Börse und dem Nettoinventarwert der Aktie) fällt das Rücknahmerisiko noch geringer aus.

 

Verschiedene Faktoren können einbezogen werden, um die Auswirkungen auf die Aktiva und Passiva des Fonds zu simulieren: Änderungen der Mieteinnahmen, Änderungen der Zinssätze, eine Immobilienkrise, Agio/Disagio usw.

 

Damit soll eine Reihe von Fragen beantwortet werden:
 

Wann werden sich Veränderungen bei den genannten Faktoren auf die Bewertung der Gebäude auswirken und die Rückzahlung der Schulden notwendig machen?

Welche Höhe von Rücknahmen würde der Fonds verkraften können, ohne sein Portfolio neu strukturieren zu müssen?

An welchem Punkt müssen Massnahmen ergriffen werden, um eine kritische Lage im Management zu vermeiden?

Welches Liquiditätsniveau wird in einem normalen Markt und welches in einem Krisenmarkt angestrebt?

Wie hoch sollte die Verschuldung sein, um unvorhergesehene Ereignisse bewältigen zu können?

 

Diese Übung erfordert eine Auseinandersetzung mit den Variablen, die die Verwaltung eines Fonds beeinflussen, und umfasst die Entscheidungsfindung von Verwaltungsräten hinsichtlich tolerierbarer Grenzen. Diese Überlegungen erfordern die Einbeziehung aller Beteiligten: Verwalter, Verwaltungsratmitglieder, Risikomanager, Immobilienexperten. Jeder kann diese Analysen mit seinem Fachwissen und seiner Sicht auf den Markt bereichern. Angesichts des Aufwands und der daraus gezogenen Folgerungen wäre es schade, diese Übung nur als gesetzliche Verpflichtung zu behandeln und nicht auch als Managementinstrument zu nutzen.

Simona Terranova
Partner, Deloitte SA, COPTIS-Mitglied

Veröffentlicht in der Zeitung 24 Heures am Mittwoch, 7. Juli 2021, in Zusammenarbeit mit COPTIS



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