Interview «5 Minuten mit» Boris Clivaz, CEO von Gefiswiss

24/08/2022

Olivier Toublan

Immoday

5 Min

 

Zum heutigen '5 Minuten mit'-Interview begrüssen wir Boris Clivaz, CEO von Gefiswiss

 

'5 Minuten mit' ist eine Interviewreihe, die zu einem besseren Verständnis der Akteure der Immobilienverbriefung in der Schweiz und ihrer Aktivitäten beitragen soll.
 

Boris Clivaz, erzählen Sie uns etwas über sich selbst, was ist Ihre derzeitige Position?
 

Ich bin derzeit CEO von Gefiswiss, einem Unternehmen, das ich 2008 gemeinsam mit einem Kollegen gegründet habe. Davor hatte ich einen recht abwechslungsreichen beruflichen Werdegang. Meine berufliche Laufbahn begann ich beispielsweise als Lehrling beim Betreibungsamt Lausanne.

 

Das ist ziemlich originell.
 

Vor allem war es ein reiner Zufall. Als junger Mann interessierte ich mich sehr für Buchhaltung. Ich suchte eine Lehrstelle und das Betreibungsamt bot mir eine an. Danach erwarb ich den Fachausweis als Betreibungs- und Konkursbeamter, was mich in meinem Beruf weiterbrachte und es mir ermöglichte, komplexere und interessantere Fälle zu bearbeiten.

 

Nach drei Jahren beim Betreibungsamt Lausanne wechselten Sie 1995 zum Schweizerischen Bankverein (SBV).
 

Ich war weiterhin im Bereich des Inkassos tätig, nun aber auf der Gläubigerseite. Parallel dazu erwarb ich ein eidgenössisches Diplom in Bankwirtschaft. Anschliessend wurde ich Leiter der Inkassoabteilung für die Westschweiz. Im Jahr 1998 wurde der SBV von der UBS übernommen. Ich war deshalb der Meinung, dass die Zeit reif war für einen Wechsel. Ich arbeitete dann drei Jahre lang bei der BCV in Yverdon als Leiter der Abteilung KMU.

 

Danach machten Sie einen vierjährigen Abstecher zur Treuhandgesellschaft Michel Favre.
 

So konnte ich auch ein bisschen in die Revision reinschnuppern, um meine Kompetenzen auszubauen, und als Finanzdirektor von Fabrique de Cadres et Baguettes, einem KMU, das Kunde der Treuhandgesellschaft war und saniert werden musste, aktiv anpacken. Anschliessend – im Jahr 2006 – machte ich erneut einen Abstecher in die Bankenwelt, diesmal zur Credit Suisse, wo ich mich mit der Analyse von grossen KMU beschäftigte.

 

Und dann haben Sie von einem Tag auf den anderen Ihren Job bei der Bank an den Nagel gehängt, um Ihr eigenes Unternehmen zu gründen. Weshalb?
 

Ich war 38 Jahre alt und hielt es für den richtigen Zeitpunkt, etwas Eigenes zu schaffen. Ich und ein Kollege von der Credit Suisse beschlossen, unser eigenes Unternehmen – Gefiswiss – zu gründen, das auf die Verwaltung und Entwicklung von Immobilienprojekten in Form von kollektiven Anlagevehikeln spezialisiert ist.

 

Waren Sie sofort erfolgreich?
 

Im Nachhinein muss ich sagen, dass wir völlig ahnungslos waren. Ich hatte eine Frau und zwei Kinder, keine Erfahrung mit der Gründung eines Unternehmens, keine Kunden, keine Geschäfte und keine Verträge. Investoren, potenzielle Kunden und Mitarbeitende mussten überzeugt werden. In den ersten Monaten arbeiteten wir wie verrückt. Meine Ehefrau sorgte für den Lebensunterhalt. Und dann bekamen wir endlich einen ersten Vertrag und dann einen zweiten. Gefiswiss war lanciert, aber das erste Jahr war wirklich schwierig.

 

Bei der Entwicklung von Immobilienprojekten bevorzugen Sie die Rechtsform der Kommanditgesellschaft für kollektive Kapitalanlagen (KmGK). Weshalb?
 

Ein Fonds oder eine SICAV sind langfristig ausgerichtet und schütten jährlich eine Dividende aus. Mit einer KmGK wird ein Projekt lanciert und entwickelt, die Liegenschaften werden verkauft und – nach der Ausschüttung der Gewinne an die Investoren – wird die Gesellschaft wieder aufgelöst. So ähnlich wie bei Private Equity oder einem geschlossenen Fonds. Wir nutzen aber auch andere Rechtsformen wie diejenige der Stiftung oder der SICAV.

 

Die meisten Ihrer Immobilienprojekte betreffen periphere Städte, welche die Grossinvestoren in der Regel abschrecken.
 

Und dennoch gibt es in diesen peripheren Städten sehr gute Gelegenheiten. Natürlich sind diese Projekte arbeitsintensiver als der Kauf einer Liegenschaft im Stadtzentrum von Genf.

 

Und es ist auch riskanter, nicht wahr?
 

Nicht wenn man das richtige Produkt, zum richtigen Preis am richtigen Ort anbietet. Bei Transaktionen in Genf, in deren Rahmen Liegenschaften mit einer Bruttorendite von 2,5% erworben werden, welche dann komplett saniert werden müssen, frage ich mich sowieso, wie hoch die Rentabilität der Investition letztlich ausfällt. Im aktuellen Wirtschaftsumfeld mit extrem hohen Immobilienpreisen muss man den Mut haben, etwas mehr Risiko einzugehen und in der Peripherie zu investieren, wenn man Rentabilität will. Ausserdem bin ich davon überzeugt, dass mit der Zunahme von Homeoffice diese peripheren Städte ein Comeback erleben werden.

 

Wirklich?
 

Wenn ich junge Mitarbeitende einstelle, sehe ich, dass sie eine andere Arbeitseinstellung haben. Das bedeutet nicht, dass sie sich nicht engagieren oder stundenlang an einem Projekt arbeiten wollen, ganz im Gegenteil, doch sie sind nicht bereit, deswegen ihr Privatleben zu opfern. Die ersten Fragen, die mir gestellt werden, sind «Besteht die Möglichkeit, teilweise im Homeoffice zu arbeiten?», «Werde ich gute Weiterbildungsmöglichkeiten haben?» und «Werde ich sinnvolle Arbeit leisten?».

 

Wie viele Mitarbeitende beschäftigen Sie bei Gefiswiss?
 

Wir sind ein kleines mittelständisches Unternehmen mit 18 Mitarbeitenden. Es ist ein sehr multidisziplinäres Team mit Ökonomen, Architekten, Steuerexperten, Sanierungsspezialisten, Stadtplanern usw. Dadurch können wir neue Projekte aus verschiedenen Perspektiven und mit unterschiedlichen Sichtweisen angehen.

 

Was sind die derzeit laufenden Projekte?
 

Wir haben drei KmGK am Laufen und eine neue wird demnächst aufgelegt. Wir haben zudem die Anlagestiftung Prisma, die sechs oder sieben Immobilienprojekte verwaltet, und haben gerade einen Fonds zur Energiewende in Form einer luxemburgischen SICAV-SIF aufgelegt. In einigen Monaten werden wir zudem mit führenden Partnern einen Immobilienleibrentenfonds lancieren.

 

Leibrenten? Das ist ziemlich originell.
 

Originell und innovativ zu sein, ist in dieser Branche unerlässlich, wenn man eine anständige Rentabilität erzielen will. Das ist aber nicht immer einfach. Beispielsweise hat es fünf Jahre gedauert, um die Genehmigung der FINMA für diesen Fonds zu erhalten.

 

Kommen wir wieder auf Sie zu sprechen. Was sind Ihre wichtigsten Charaktereigenschaften?
 

Ich bin neugierig, willensstark und sehr optimistisch. Wenn ich heute ein Projekt starte, interessiert mich nicht nur die Rentabilität, sondern auch die Möglichkeit, eine nachhaltige Wirkung zu erzielen.

 

Haben Sie Hobbys?
 

Die Berge, Skifahren, Skitouren und dann natürlich meine Familie. Und nicht zu vergessen, wie Sie sicherlich bemerkt haben, meine Begeisterung für Ökologie und nachhaltige Entwicklung.

 

Schliessen wir das Gespräch mit einer Frage ab, die wir immer am Ende stellen: Was würden Sie ändern, wenn Sie einen Zauberstab hätten und die Zeit zurückdrehen könnten?
 

Das ist ganz klar: Ich würde keine wirtschaftliche, sondern eine technische Ausbildung machen. Denn nicht der Banker, sondern der Ingenieur wird in der Lage sein, Lösungen für die Klimakrise zu finden. Wenn ich heute mit Ingenieuren spreche, sehe ich, dass mir technisches Wissen fehlt, um ihre Vorschläge kritisch zu hinterfragen.
 

Olivier Toublan, Immoday