Julian Reymond, CEO von Realstone SA: «Wir gehen neue Wege, indem wir ein quantifiziertes Ziel für CO2-Emissionen in unsere Fondsverträge aufnehmen»

06/09/2023

Olivier Toublan

Immoday

6 Min

Um über blosse Versprechen hinauszugehen und den Anlegern die angekündigten Ziele in Sachen Nachhaltigkeit zu garantieren, hat Realstone SA beschlossen, eine Begrenzung der CO2-Emissionen ihres Bestands in den Verträgen von zwei ihrer Fonds, Realstone RSF und Solvalor 61, festzuschreiben. Julian Reymond, ihr CEO, erklärt uns die Gründe dafür.

 

Vor einigen Wochen änderte Realstone SA unauffällig den Vertrag von zwei ihrer Fonds und fügte ein konkret quantifiziertes Nachhaltigkeitsziel hinzu: eine CO2-Emissionsgrenze für ihre Gebäude. Eine Neuheit in der Welt der Immobilienfonds, die dem gesteigerten Bedürfnis der Anleger nach Nachhaltigkeit entgegenkommt, aber auch zahlreiche Einschränkungen für die Portfoliomanager mit sich bringt. Wir sprechen darüber mit Julian Reymond, CEO von Realstone SA.

 

Julian Reymond, warum haben Sie ein quantifiziertes Nachhaltigkeitsziel in den Vertrag von zwei Ihrer Fonds, Realstone RSF und Solvalor 61, aufgenommen?
 

Es war für uns eine Möglichkeit, die seit zwei Jahren eingegangenen Verpflichtungen im Bereich Nachhaltigkeit, für die wir stehen, und unserem Ehrgeiz, unsere CO2-Emissionen zu reduzieren, zu bestätigen. Wir waren der Meinung, dass wir über blosse Versprechungen hinausgehen sollten, mit einer formellen Verpflichtung, die im Fondsvertrag festgeschrieben ist.

 

Wie sieht diese Verpflichtung konkret aus?
 

Wir verpflichten uns, die CO2-Emissionen bis 2031 für den gesamten Immobilienbestand beider Fonds im Durchschnitt auf maximal 20 kg/m2/Jahr zu begrenzen. Um dies zu erreichen, berechnen wir den tatsächlichen CO2-Fussabdruck der Gebäude auf der Grundlage der realen Messungen des Verbrauchs fossiler Energieträger und verwenden dann die Umrechnungsfaktoren der Norm SIA 380:2015. Leider sind die in der Branche verwendeten Berechnungsmethoden nicht alle identisch. Im Gegensatz zu denen, die wir bei Realstone SA verwenden, stützen sich andere auf die theoretischen Zahlen der GEAK- oder PACTA-Zertifikate, mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen, die sich innerhalb eines Benchmarks nicht vergleichen lassen. 

 

Sind das realistische Ziele?
 

Nach den Projektionen unserer Emissionen, die auf unseren Investitionsplänen für die nächsten zehn Jahre basieren sind sie das durchaus. Bis 2031 erwarten wir sogar, dass wir diese Ziele übertreffen werden. Womöglich um ca. 15 kg/m2/Jahr.

 

Wie wollen Sie das erreichen?
 

Mit den üblichen Tools: nämlich einer genauen Planung der Investitionen in die Nachhaltigkeit der Gebäude über die nächsten zehn Jahre, dem Austausch von Heizkesseln, der Renovierung der Gebäudehülle usw. Darüber hinaus – und das ist Teil des Know-hows von Realstone SA – entwickeln wir weiterhin neue Wohnprojekte, die die hohen Ansprüche an Nachhaltigkeit und Energieeffizienz erfüllen. Die schrittweise Lieferung dieser neuen Immobilien innerhalb der Portfolios unserer Fonds wird ebenfalls dazu beitragen, dass deren durchschnittliche CO2-Emissionen sinken.

 

Ist diese Aufnahme eines quantifizierten CO2-Emissionsziels in den Fondsvertrag eine Premiere in der Schweiz?
 

Meines Wissens nach ja. Es ist auf jeden Fall eine Neuheit, eine erhebliche freiwillige Entscheidung unsererseits, und wir hoffen, die gesamte Branche dazu zu motivieren, es uns gleichzutun. Damit würden auch die Greenwashing-Vorwürfe, die unsere Branche regelmässig treffen, verstummen.

 

Warum haben Sie diese Einschränkungen auf nur zwei Ihrer Produkte beschränkt?  
 

Dies ist nur ein Zwischenschritt. Der Vertrag des Realstone Industrial Fund, der im Dezember 2022 aufgelegt wurde, enthält bereits ein noch ehrgeizigeres Ziel mit einer Grenze von 10 kg/m2/Jahr. Da der Fonds aber nicht an der Börse notiert ist, blieb dies unbemerkt. Nun wird darüber nachgedacht, ein ähnliches Ziel in den Vertrag der RIRS-Gruppe der Realstone Anlagestiftung aufzunehmen. Wir sind gerade dabei, die Umsetzbarkeit zu prüfen. Letztendlich wollen wir jedoch die Verträge aller unserer Produkte in diese Richtung ändern.

 

Wie war die Reaktion der Anleger? 
 

Es erhoben sich keine Einwände. Ich muss sagen, dass die Anleger nicht überrascht waren, da wir diese Nachhaltigkeitsziele bereits vor zwei Jahren angekündigt haben und sie weiterverfolgen.

 

War eine Absichtserklärung nicht ausreichend? Mussten diese Ziele wirklich in den Fondsvertrag aufgenommen werden?
 

Wir taten dies aus Gründen der Transparenz gegenüber unseren Anlegern. Für uns ist dies eine ausserordentliche Verpflichtung, die es rechtfertigt, in den Fondsvertrag aufgenommen zu werden. Diese Änderung war ausserdem Gegenstand einer Genehmigung der FINMA, die uns Anfang des Sommers erteilt wurde.

 

Gibt es wirklich eine Nachfrage nach Nachhaltigkeit seitens der Anleger? 
 

Ja, von einer Mehrheit der Anleger. Inzwischen hat ohnehin jeder verstanden, dass die CO2-Emissionen einen starken Einfluss auf unseren Planeten haben. In der Schweiz werden 24% dieser Emissionen durch Immobilien verursacht. Es ist also ein Sektor, der ein grosses Potenzial für Reduktionen bietet. Vor allem ist es ein Sektor, in dem wir alle als Immobilienbesitzer handeln können und müssen. Zudem sind mit dem Bundesgesetz über die Ziele des Klimaschutzes (KSG), das im Juni in einer Volksabstimmung angenommen wurde, nun auch die Ziele für die CO2-Reduktion festgelegt. Für Immobilien sind das 82% CO2-Reduktion bis 2040 und 100% bis 2050. Wir sollten uns daher unverzüglich an die Arbeit machen.

 

Unabhängig davon, wie die Auswirkungen gemessen werden, verringern diese Investitionen in die Nachhaltigkeit die Rendite für die Anleger?  
 

Kurzfristig ist das durchaus möglich. Es liegt an uns, die Investitionen in energetische Sanierungen mit z. B. Aufstockungen zu koppeln, damit sich diese Massnahmen für die Anleger lohnen und über den gesamten Immobilienbestand eines jeden Fonds betrachtet den Cashflow nicht schmälern. Dies erfordert eine recht komplexe Planung, aber genau das ist unsere Aufgabe. Langfristig gesehen ist es natürlich klar, dass sich diese Investitionen für die Anleger rentieren, da sie den Wert der Immobilien steigern und gleichzeitig die Belastungen durch Strom- und Heizungsrechnungen senken.

 

Haben Sie also ausnahmslos glückliche Anleger?  
 

Was sie sich vor allem wünschen, ist, dass es aufgrund der Investitionen in die Nachhaltigkeit nicht zu einem grossen Verlust an Cashflow kommt. Es ist unsere Aufgabe, ihnen zu zeigen, dass dies möglich ist. Abgesehen davon hat sich seit dem Zinsanstieg die Einstellung der Anleger geändert: Sie sind anspruchsvoller, was die Rendite angeht. Das bedeutet für uns, dass wir bei all unseren Investitionen sehr genau darauf achten müssen, dass sie die Rentabilität nicht zu stark beeinträchtigen.

 

Wie kann ich als Anleger herausfinden, welche Fonds am nachhaltigsten sind?  
 

Es gibt heute tatsächlich zwei grosse Probleme für Anleger, die die ESG-Leistungen von Fonds miteinander vergleichen wollen. Zum einen sind nicht alle Fonds an dieselbe Benchmark gebunden. Zum anderen verwendet nicht die gesamte Branche die gleichen Normen und Methoden zur Berechnung der CO2-Emissionen. Dadurch ist ein Vergleich der Fonds schwierig. Wir haben unsererseits den weltweit anerkannten GRESB-Benchmark übernommen und verwenden die Norm SIA 380:2015 zur Berechnung der CO2-Emissionen. Dabei stützen wir uns auf den tatsächlichen und nicht auf den theoretischen Verbrauch fossiler Energieträger. Wir drängen darauf, dass die Behörden der gesamten Branche eine identische, möglichst verbindliche Methodik vorschreiben. Letztendlich wird die Branche von mehr Transparenz nur profitieren, auch im Hinblick auf ihre Glaubwürdigkeit. Dies ist unerlässlich, um unsere Leistungen mit denen unserer Kollegen vergleichen zu können. Auch sollen die Anleger ihre Entscheidungen auf der Grundlage qualitativ hochwertiger Informationen treffen können. In diesem Bestreben wollen wir bei Realstone SA bei der Zertifizierung unserer Daten an der Spitze stehen. Von diesen Daten ist die Energiebezugsfläche (EBF) die wichtigste, da sie in die Berechnung der anderen Umweltindizes der AMAS einfliesst. Daher haben wir auch beschlossen, die EBF aller unserer Gebäude von einem anerkannten Dienstleister prüfen und zertifizieren zu lassen. 

 

Im Jahr 2050 wird es eine Verpflichtung zur CO2-Neutralität geben. Halten Sie das für realistisch?  
 

Um ehrlich zu sein, das wird kompliziert. Heute werden schätzungsweise noch 63% der Gebäude in der Schweiz mit fossiler Energie betrieben. Und wenn man bedenkt, dass nur 1% des Bestands jedes Jahr renoviert wird, wird einem schon klar, dass wir, um die Ziele der CO2-Neutralität im Jahr 2050 zu erreichen, tatsächlich einen Gang höher schalten müssen. Das wird sowohl enorme finanzielle Investitionen als auch eine intensive Personalbeschaffung erfordern. Ausserdem ist es meiner Meinung nach notwendig, Anreize für Hausbesitzer zu schaffen, damit die Anzahl von Investitionen erhöht wird. 

 

Helfen Ihnen die Kommunen bei dieser Aufgabe?  
 

Nicht immer. Mehrere sind beispielsweise mit ihren Fernwärmeprojekten im Rückstand, was uns beim Austausch von fossilen Heizkesseln bremst. Doch auch wenn das nicht immer in dem gewünschten Tempo geschieht, bleibe ich optimistisch: die Dinge werden schon in Gang kommen. Der Kanton Genf hat zum Beispiel finanzielle Anreize für mehr Nachhaltigkeit geschaffen. Das ist eine willkommene, aber noch zu seltene Initiative. Wir hoffen, dass andere Kantone nachziehen werden, anstatt einfach nur Verpflichtungen und Zwangsmassnahmen aufzuerlegen.

 

Und was sind Ihre Ziele im Hinblick auf diese CO2-Neutralität?  
 

Unser Ziel ist es, der nachhaltigste, innovativste und erfolgreichste Immobilienfondsmanager der Schweiz zu werden. Um dies zu erreichen, haben wir eine Strategie entwickelt, eine Risikoanalyse durchgeführt und konkrete Ziele festgelegt, die das Wohlbefinden unserer Mieter ebenso fördern wie die Dekarbonisierung oder Investitionen in erneuerbare Energien. Wir beschreiben diesen Aktionsplan transparent in unserem Nachhaltigkeitsbericht «Real Impact», den wir jährlich veröffentlichen und der online verfügbar ist.

 

Olivier Toublan, Immoday.ch