«REMMS bietet eine automatisierte und kostenlose Analyse der Nachhaltigkeit Ihres Gebäudes»

23/05/2023

Olivier Toublan

Immoday

7 Min

Um sich im Dschungel der Nachhaltigkeitslabels zurechtzufinden, bietet der gemeinnützige Verein REMMS ein automatisiertes Meta-Rating, das die Nachhaltigkeit von Immobilien nicht nur unter ökologischen, sondern auch ökonomischen und sozialen Gesichtspunkten analysiert. Und: Für die überwiegende Mehrheit der Eigentümer ist es kostenlos.

 

Nachhaltigkeit ist zu einem Thema geworden, das die Immobilienbranche so sehr beschäftigt, dass eine durchaus beeindruckende Anzahl von Initiativen – oftmals kommerzieller Natur – zu ihrer Quantifizierung, Kennzeichnung und Kontrolle ins Leben gerufen wurde. Das Problem ist, dass man bei all diesen Labels nicht mehr weiss, welchen Heiligen man anrufen soll. Denn dass sie so unterschiedlich sind, macht die Analyse und Vergleichbarkeit von Gebäuden untereinander kompliziert. Investoren sind ebenso verloren wie die breite Öffentlichkeit und Eigentümer. Und obwohl in den letzten 30 Jahren viele neue Instrumente entwickelt wurden, haben über 90 % der Gebäude in der Schweiz weder ein Label noch wurde ihre Nachhaltigkeit gemessen. 
 

In dieser Hinsicht bietet der Verein REMMS einen originellen Ansatz: ein Meta-Rating, das automatisiert alle bereits verfügbaren Daten erfasst, um die Nachhaltigkeit eines Gebäudes festzustellen. Dies geschieht nicht nur auf ökologischer, sondern auch auf ökonomischer und sozialer Ebene.  Und das auf mehreren Analyseebenen, die vom analysierten Objekt bis hin zum Stadtgebiet (Viertel, Stadt), in welchem es sich befindet, reichen.
 

Dieses neue Analysetool verlässt bald seine Entwicklungsphase und ermöglicht die automatisierte Analyse aller Gebäude in der Schweiz. Die offizielle Einführung ist für Juni 2023 geplant. In der Zwischenzeit ziehen wir Bilanz mit Alrick Amann, Mitglied im REMMS. Der gelernte Ingenieur, der heute Immobilienökonom ist, arbeitet für Fahrländer Partner Raumentwicklung, ein Beratungs- und Forschungsunternehmen, das sich auf wirtschaftliche und technische Fragen im Zusammenhang mit Immobilien spezialisiert hat. Es war dieses Unternehmen, das REMMS entwickelt hat. Daraus ist inzwischen der gemeinnützige Verein hervorgegangen, der völlig getrennt und unabhängig von Fahrländer arbeitet.

 

Alrick Amann, in zwei Sätzen, was ist REMMS? 
 

Es handelt sich um ein automatisiertes Meta-Rating der Nachhaltigkeit, das auf einer ganzen Reihe von grösstenteils öffentlichen Daten beruht und von einem gleichnamigen gemeinnützigen Verein betrieben wird. Dieser Verein, der vom Bundesamt für Wohnungswesen unterstützt wird, hat den Zweck, die verschiedenen Komponenten der Nachhaltigkeit für alle Arten von Immobilien zu analysieren, zunächst in der ganzen Schweiz und in einer späteren Entwicklungsphase auch im Ausland.

 

Was bedeutet REMMS eigentlich?  
 

Es ist die Abkürzung für Real Estate Meta-rating and Monitoring on Sustainability, oder auf Deutsch: ein Tool für Meta-Rating und Nachhaltigkeitsmonitoring.

 

Sie haben verschiedene Aspekte der Nachhaltigkeit angesprochen, was heisst das?

 

Wir beschränken uns nicht auf die Analyse der ökologischen Komponente (Energieverbrauch, Emissionen), die das grosse Thema ist, das heute den gesamten Immobiliensektor beschäftigt. Unserer Meinung nach sollte eine echte Nachhaltigkeitsanalyse nicht nur die verschiedenen Komponenten der ökologischen Nachhaltigkeit, sondern auch ökonomische, soziale und Governance-Aspekte einbeziehen. REMMS basiert auf drei Analyseebenen: einer Makroanalyse (auf Gemeindeebene), einer Mikroanalyse (auf Nachbarschaftsebene) und einer Analyse des Objekts selbst.

 

Das klingt sehr ehrgeizig. Und Sie können das automatisiert tun? 
 

Absolut. Einerseits verfügen wir über die Unterstützung des Bundes, da der Direktor des Bundesamtes für Wohnungswesen aktives Mitglied des Vereins ist. Dadurch haben wir Zugang zu Daten wie dem Eidgenössischen Gebäude- und Wohnungsregister, das viele Informationen enthält, darunter auch solche, die mit der Nachhaltigkeit von Gebäuden zu tun haben, wie zum Beispiel die Art der Heizung oder die Renovationsarbeiten, die bereits an den Gebäuden durchgeführt wurden. Darüber hinaus haben wir auch Zugang zu anderen Datensätzen, zum Beispiel zu bestimmten Labels oder dreidimensionalen Gebäudemodellen. Nicht zu vergessen alle Daten, die in den letzten 15 Jahren von Fahrländer Partner gesammelt wurden, die Tools zur Immobilienbewertung anbieten. Letztendlich können wir mit unserem Tool alle Daten zu einem bestimmten Gebäude oder einer Gruppe von Gebäuden extrahieren und sie für unser Rating und die anschliessende Analyse automatisch aggregieren.

 

Im Prinzip ist alles klar, aber sind alle diese Daten von hoher Qualität, sind sie auf dem neuesten Stand?  
 

Die Flexibilität unseres Tools ermöglicht es Eigentümern, die das Rating erhalten, die von uns verwendeten Daten bei Bedarf zu ergänzen oder zu korrigieren. Wenn sie zum Beispiel eine neue Heizung oder eine umfangreiche Analyse der CO2-Emissionen ihres Gebäudes durchgeführt haben, können die Eigentümer diese Daten in unserem System ergänzen, was wiederum die Qualität des Modells verbessert und die Analyse verfeinert.

 

Dennoch bleibt Ihr Meta-Rating im Vergleich zu einer genauen Analyse beispielsweise des Energieverbrauchs eines Gebäudes ziemlich oberflächlich. 
 

Die beiden Ansätze verfolgen nicht dasselbe Ziel. Bei REMMS geht es darum, eine Grössenordnung zu liefern, anhand derer man erkennen kann, wo das Gebäude in Sachen Nachhaltigkeit steht. Dies gilt umso mehr, als dass Energie für uns nicht das zentrale Thema ist. Sie ist zwar wichtig, aber nur eines von rund 30 Kriterien, die von REMMS analysiert werden. Wir verfolgen einen wirklich umfassenden Ansatz zur Nachhaltigkeit, der sich nicht auf CO2-Emissionen beschränkt. Es müssen auch andere relevante Aspekte integriert werden, wie zum Beispiel Biodiversität, Qualität des Verkehrssystems, Luftqualität, soziale Nachhaltigkeitskriterien usw. Kriterien, die oft vergessen werden, wenn man von Nachhaltigkeit spricht.

 

Wer sollte Ihr Tool verwenden?  
 

Jeder. Unser Ziel ist, den Schweizer Immobilienbestand umfassend abzudecken, indem wir alle Arten von Eigentümern erreichen, private wie institutionelle, aber auch Gemeinden, Kantone und den Bund. Wir wollen alle Arten von Gebäuden analysieren, Häuser und Mehrfamilienhäuser, aber auch Schulen, Büros oder Gewerbeflächen. Dadurch wird es nicht nur möglich sein, die Nachhaltigkeit eines Gebäudes zu bestimmen, sondern dieses auch mit ähnlichen Gebäuden in der ganzen Schweiz zu benchmarken.

 

Letztendlich bleibt es ein weiteres ESG-Rating im Dschungel der derzeit existierenden Ratings, in dem sich niemand mehr zurechtfindet. 
 

Das ist nicht das Ziel von REMMS. Wir bieten ein echtes Meta-Rating, das zudem nicht binär ist wie andere Labels. Wie auch immer, wenn wir ein x-tes Label hätten machen wollen, hätte das nicht funktioniert. Wir wollen eine wirklich automatisierte Lösung entwickeln, die eine schnelle und einfache Abdeckung der gesamten Schweiz ermöglicht. Denn trotz der Vielzahl der Nachhaltigkeitslabels führen heute schätzungsweise nur höchstens 10 % der Gebäude in der Schweiz ein Label. Mit REMMS ist es möglich, die Dinge zu beschleunigen und bis Ende des Jahres ein umfassendes Rating für alle Gebäude anzubieten. 

 

Wozu dient konkret der Abschlussbericht, den Sie für ein Gebäude erstellen? 
 

Jeder Eigentümer, ob privat oder institutionell, kann die Nachhaltigkeit seiner Immobilien mit REMMS analysieren und einen umfassenden Bericht erhalten. Dieser wird die Analyse der Immobilie enthalten, aber auch Empfehlungen zu Verbesserungen in Bezug auf die ökologische Nachhaltigkeit des Gebäudes geben. Zum Beispiel erstellt REMMS eine Analyse der Machbarkeit der Installation von Photovoltaikpaneelen, der Kosten und Subventionen für einen Austausch des Heizsystems oder Isolierungsarbeiten, zusammen mit den geschätzten Investitionskosten und möglichen Einsparungen. Natürlich ersetzt diese Analyse nicht die gründliche Prüfung des Gebäudes, aber sie ermöglicht eine schnelle erste Einschätzung der Kosten und Vorteile einer energetischen Sanierung.

 

Wie wird REMMS finanziert? 
 

Zurzeit finanziert sich REMMS durch die Beiträge seiner Mitglieder, die 250 Franken pro Jahr zahlen, und durch die Unterstützung mehrerer Spender. Langfristig soll sich der Verein jedoch selbst finanzieren. Konkret bedeutet dies, dass REMMS für kleinere Eigentümer kostenlos ist, da man bis zu fünf Gebäude pro Jahr kostenlos analysieren lassen kann. Für grössere Eigentümer wird REMMS kostenpflichtig sein. Hier wird man je nach Art des Gebäudes mit CHF 2.50 bis CHF 15.– pro Gebäude und Jahr rechnen müssen. Dies ist absichtlich so günstig, da wir eine umfassende Abdeckung des gesamten Schweizer Gebäudebestands einschliesslich der öffentlichen Gebäude anstreben und glauben, dass wir dieses Ziel am ehesten erreichen, wenn wir eine Lösung anbieten, die für möglichst viele Menschen erschwinglich ist. 

 

Wie wird dieses Tool funktionieren? 
 

Im Juni werden wir die Website starten, über die Privatpersonen und Investoren mit kleinen Portfolios Zugang zu REMMS bekommen. Dort werden sie lediglich die Adresse ihres Gebäudes eingeben müssen, um einen automatischen und kostenlosen Bericht zu erhalten. Für grosse Eigentümer, Hausverwaltungen und Pensionskassen wird es genauso einfach sein, denn wir wollen auch ihnen das Leben erleichtern. Sie werden ihre Daten direkt über ihre Verwaltungsschnittstellen, die bereits gut strukturiert sind, senden können. Wir haben bereits über 30 Integrationen in die meisten grossen Portfoliomanagementprogramme. Für sie werden die REMMS-Analysen also automatisch über die Verwaltungsschnittstellen verfügbar sein.

 

Ist der Markt gross genug, wenn kleine Eigentümer nichts zahlen müssen? 

 

Wir sind ein gemeinnütziger Verein und unser Ziel ist, dass möglichst viele Menschen, sowohl kleine als auch grosse Eigentümer, teilnehmen und zum Erfolg von REMMS beitragen. Bisher haben wir mit vielen Testportfolios gearbeitet und die Entwicklung selbst finanziert. Im Juni wird das Analysetool offiziell eingeführt. In der Schweiz gibt es etwa zwei Millionen Gebäude, von denen die Hälfte kleinen Eigentümern gehört. Bleibt also eine Million Gebäude, für die unsere Analyse kostenpflichtig wäre, womit die Betriebskosten gedeckt werden können. 

 

Und werden Sie diese Eigentümer überzeugen können?  
 

Wir haben bereits mehrere interessierte Grossinvestoren, vor allem mehrere Pensionskassen, wie die der Kantone Zürich und Solothurn. Oder aber mehrere Industrieunternehmen. Und nicht zu vergessen die Banken und Versicherungen, die wissen wollen, wie nachhaltig alle ihre Hypotheken beziehungsweise Versicherungen sind. Sie haben bei ihren ganz alten Verträgen oft nur sehr wenige Informationen. Unsere automatisierte Lösung ist für sie interessant, da es problemlos möglich ist, Immobilienbestände von mehreren zehntausend Gebäuden automatisch und schnell zu analysieren. Wir zählen inzwischen über 80 aktive und passive Mitglieder und spüren bei allen Akteuren der Immobilienbranche eine grosse Begeisterung für unser Tool.

 

Olivier Toublan, Immoday