Steuerliche Behandlung von Anteilen an französischen Immobiliengesellschaften: Das Bundesgericht hat entschieden!

28/02/2023

Thierry De Mitri

De Mitri Conseils SA 

5 Min

In seinem Urteil vom 13. Dezember 2022 (2C_365/2021) hat sich das Bundesgericht (BG) mit der Frage befasst, wie Anteile an französischen Immobiliengesellschaften (SCI), die von einer in der Schweiz ansässigen Person gehalten werden, in Bezug auf die Vermögenssteuer zu behandeln sind. Für seine Entscheidung übernahm das Bundesgericht die Analyse des Urteils vom 1. April 2021 des Waadtländer Kantonsgerichts und kam zu dem Schluss, dass Anteile an SCI unter bestimmten Umständen Wertpapiere darstellen, so dass die Schweiz das Recht hat, die Anteile als Vermögen zu besteuern, wenn der Inhaber in Frankreich nicht der Steuer auf unbewegliches Vermögen (IFI) unterliegt. Dieses Urteil hat heftige Reaktionen ausgelöst, die eine Erklärung verdienen.
 

Es kommt häufig vor, dass Schweizer Steuerzahler mit Zweitwohnsitz in Frankreich diese Immobilie über eine SCI halten. Doch hat es Steuerfachleuten immer ein gewisses Unbehagen bereitet, wie die Anteile an einer SCI in der Schweizer Steuererklärung zu erklären sind. Handelt es sich um ein Wertpapier oder um einen Immobilienwert?

 

Aus rechtlicher Sicht sind SCI juristische Personen, doch werden sie von den französischen Steuerbehörden in der Regel transparent behandelt, so dass die Gesellschafter der SCI die Steuerschuldner sind. 

 

Die Waadtländer Steuerbehörden waren in einem Anwendungsfall der Ansicht, dass die Anteile an einer SCI trotz der transparenten Behandlung in Frankreich als Wertpapiere betrachtet werden müssen, die bei der Steuerbemessungsgrundlage für die Vermögenssteuer zu berücksichtigen sind, wenn die SCI nicht der Besteuerung in Frankreich nach nationalem Recht unterworfen ist. Daher sollten Anteile an SCI nicht als Immobilien im Ausland besteuert werden, die nur den Steuersatz bestimmen, sondern als Wertpapiere, die in der Schweiz versteuert werden müssen. 

 

In seinem Urteil vom 1. April 2021 (FI.2020.0109) hatte das Waadtländer Kantonsgericht diese Art der Besteuerung bestätigt. Es stellte nämlich fest, dass die Schweiz auf Grundlage des zwischen der Schweiz und Frankreich geschlossenen Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) ihr Besteuerungsrecht wiedererlangen darf, wenn Frankreich diese Immobilie nicht besteuert. Dies ist der Fall, wenn die Immobilie einen Wert von weniger als 1'300'000 Euro im Rahmen der Steuer auf unbewegliches Vermögen (IFI) hat.

 

In seinem Urteil vom 13. Dezember 2022 bestätigt das Bundesgericht diese Schlussfolgerung auf Grundlage einer dreistufigen Analyse. Es prüft zunächst, ob das nationale Recht der Schweiz und Frankreichs ausreichende Rechtsgrundlagen für die Besteuerung im Rahmen der Vermögenssteuer bereithalten. Anschliessend prüft das BG das Doppelbesteuerungsabkommen, um festzustellen, wer das Besteuerungsrecht anwenden darf. 

 

Das waadtländische Steuerrecht enthält ausreichende Rechtsgrundlagen, die den Grundsatz der Besteuerung von Wertpapieren vorsehen. Das BG begründet diese Position damit, dass die SCI eine juristische Person ist. 

 

In einem zweiten Schritt stellt es fest, dass das französische Recht eine Besteuerung im Rahmen der Steuer auf unbewegliches Vermögen zulässt, sofern der Wert der Immobilie über 1'300'000 Euro beträgt.  Im vorliegenden Fall stellt das BG fest, dass der Wert der vom Schweizer Steuerpflichtigen gehaltenen Immobilie bei 1'018'400 Euro liegt, also unterhalb der Besteuerungsgrenze. Daraus ergab sich, dass der Beschwerdeführer in Frankreich keine Steuer auf unbewegliches Vermögen (IFI) gezahlt hatte. 

 

In der Folge stellt das BG auf Art. 24 Abs. 2 Ziff. 2 DBA ab. Diese Bestimmung sieht vor, dass das Eigentum an Aktien, das dem Eigentümer das alleinige Nutzungsrecht an Immobilien in einem Vertragsstaat verleiht, nach dem nationalen Steuerrecht steuerlich als Immobilien behandelt wird. Die Aktien sind daher in dem Staat steuerpflichtig, in dem die Immobilie belegen ist, im vorliegenden Fall also in Frankreich. Damit ergibt sich aus dem DBA, dass Anteile an SCI in Frankreich steuerpflichtig sind, da sie steuerlich wie Immobilien behandelt werden.

 

Art. 25 B Abs. 1 DBA sieht jedoch vor, dass bei Fehlen einer effektiven Besteuerung in Frankreich die Schweiz ihr Recht auf Besteuerung wiedererlangt, so dass die Anteile an SCI als bewegliches Vermögen qualifiziert werden. Und da Frankreich sein Besteuerungsrecht aufgrund des Vermögenswertes (unter 1'300'000 Euro) nicht ausgeübt hat, kann die Schweiz die Anteile folglich im Rahmen der Vermögenssteuer besteuern.

 

Daraus schlussfolgernd bestätigt das BG das Besteuerungsrecht der Schweiz, da Frankreich nicht besteuert hat. Dies gilt nur für die Vermögenssteuer, da in Frankreich die Einkommenssteuer quasi systematisch erhoben wird.

 

Diese Rechtsprechung führt zu einer Erhöhung der Steuerbemessungsgrundlage des Vermögens in der Schweiz. Alle Konstruktionen zur Optimierung der Besteuerung von unbeweglichem Vermögen haben zur Folge, dass eine Besteuerung in der Schweiz begünstigt wird. Zudem führt dies zu einem paradoxen Ergebnis, da in Frankreich eine Einkommenssteuer und in der Schweiz eine Vermögenssteuer auf dieselbe Immobilie erhoben wird. Schliesslich ergeben sich aus dieser Rechtsprechung auch praktische Konsequenzen, wie die Aufteilung von Schuldzinsen und Schulden oder bei der Berechnung des Steuerhöchstsatzes. Da der Steuerhöchstsatz grundsätzlich anhand des in der Schweiz zu versteuernden Werts berechnet wird, könnte diese Rechtsprechung die positive Wirkung einschränken.

 

Es werden unweigerlich neue Fragen entstehen, zum Beispiel bei einem Verkauf der Anteile (was ist mit der indirekten Teilliquidation?) oder zur steuerlichen Behandlung der Dividende, die bei der Liquidation einer SCI ausgezahlt wird. Das Urteil des BG, das sich nur auf die Vermögenssteuer bezieht, könnte völlig unerwartete und äusserst schädliche Folgen haben. Das bedeutet demnach, dass der Besitz einer Immobilie in Frankreich durch eine SCI absolut ausgeschlossen werden muss. Wer Anteile an einer SCI besitzt, sollte diese Art des Eigentums vielleicht überdenken, da sie für in der Schweiz ansässige Personen auch einen Nachteil in Bezug auf die Erbschaftssteuer darstellt (aufgrund der Doppelbesteuerung in der Schweiz und in Frankreich).

Thierry De Mitri

Thierry De Mitri hat einen Abschluss in Jura und HEC und verfügt über 20 Jahre Erfahrung als qualifizierter Steuerexperte.

Derzeit arbeitet er als Steuerberater in seiner eigenen Kanzlei und hilft seinen Mandanten bei der Lösung spezifischer Steuerprobleme im privaten und gewerblichen Bereich, die sich auf die schweizerische und internationale Besteuerung beziehen.

Parallel zu seiner selbständigen Tätigkeit ist Thierry De Mitri auch als Dozent an verschiedenen Institutionen, als Unternehmensleiter und als regelmäßiger Referent bei Seminaren zu aktuellen Steuerthemen tätig.