Das Wachstum der Immobilienpreise wird 2023 weiter zurückgehen

27/02/2023

Olivier Toublan

Immoday

5 Min

Es dauert länger, bis Objekte verkauft werden. Sowohl private als auch institutionelle Anleger sind wählerischer geworden. Der Markt schwächelt. Glücklicherweise wird er weiterhin von einem starken Bevölkerungswachstum und einem unzureichenden Angebot gestützt. Dies geht aus dem letzten Immobilienbarometer der Zürcher Kantonalbank hervor.

 

Alle Fachleute der Branche fragen sich: Wann hört der Zinsanstieg auf? Werden die Immobilienpreise sinken? Inwieweit werden sich die institutionellen Anleger wieder Obligationen zuwenden? Angesichts der vielen widersprüchlichen Informationen, die wir täglich erhalten, ist ein Schelm, wer diese Fragen beantworten kann. Es kann aber sicherlich nicht schaden, sich anzuschauen, was an den wichtigsten Immobilienmärkten passiert, u. a. in Zürich, das schon immer den Trend diktiert hat. Im Folgenden die Erkenntnisse der Zürcher Kantonalbank (ZKB), welche sie in ihrem neusten Immobilienbarometer veröffentlicht hat.

 

Nachfrage hat sich zweifellos abgeschwächt 
 

Die ZKB-Experten gehen zunächst von einer einfachen, empirischen, aber unbestreitbaren Feststellung aus: Die Nachfrage hat sich abgeschwächt, und zwar in allen Bereichen vom Einfamilienhaus bis zum Stockwerkeigentum.
 

Noch vor wenigen Monaten seien an Besichtigungsterminen die Kaufinteressenten dicht gedrängt gestanden, so die ZKB. «Die Chance auf den Zuschlag war nahezu aussichtslos. Eigenheimsuchende hatten drei Optionen ihre Kaufchance zu erhöhen: Sie mussten ihren Suchradius erweitern, die Erwartungen senken oder das Budget nach oben anpassen. Da letzteres bei den meisten Suchenden bereits ausgereizt war, konnten sie sich den Traum vom Eigenheim nur mit Kompromissen erfüllen.» Eigenheimkäufer hätten beispielsweise längere Fahrzeiten zwischen Wohn- und Arbeitsort in Kauf genommen. Institutionelle Anleger wiederum hätten sich mit einer tieferen erwarteten Rendite zufrieden gegeben.

 

Heute sieht es ganz anders aus 
 

Innerhalb weniger Wochen, Ende letzten Jahres, hatte sich die Situation völlig verändert. Die Inflation schoss in die Höhe und die Zinsen stiegen in ungeahntem Tempo an. Die erste Folge für Privatpersonen: Die Wohnkosten eines Zürcher Eigenheims sind inzwischen auf dem Niveau einer vergleichbaren Mietwohnung. «An teuren Lagen ist letztere sogar leicht günstiger», versichern die ZKB-Experten. 
 

Aus diesem Grund seien private und institutionelle Eigenheimkäufer wählerischer geworden. Das führe dazu, dass einzelne Verkaufsobjekte – sei es aufgrund überhöhter Preisvorstellungen oder unattraktiver Lage – nicht mehr in der ersten Insertionsrunde weggehen. Schlimmer noch, behaupten die Zürcher Experten: «Manche Inserate erscheinen mit einem tieferen Angebotspreis, was den Verkauf begünstigt, aber ein schlechtes Signal sendet.» 
 

Zum Glück für die Stabilität des Sektors sind solche Preiskorrekturen immer noch die Ausnahme. Im Grossen und Ganzen geht die ZKB von einem stabilen Wohnimmobilienmarkt aus – allerdings mit einem Rückgang des Preiswachstums.

 

Preiswachstum fast halbiert  
 

Bei einem jährlichen Wachstum der Immobilienpreise von +5,7% im Jahr 2022 kann von einer Trendwende noch nicht die Rede sein. Die Wachstumsverlangsamung ist aber dennoch beeindruckend, lag doch das jährliche Wachstum im dritten Quartal 2022 noch bei fast 8% und im zweiten Quartal 2022 bei über 10%. Laut den ZKB-Experten dürfte sich der Rückgang fortsetzen: Sie rechnen für 2023 mit einem Anstieg der Immobilienpreise von lediglich 2%.
 

Es überrascht wohl kaum, dass das Preiswachstum in den begehrtesten Wohngemeinden rund um den Zürichsee am stärksten geblieben ist. Betrachtet man diese Zahlen jedoch etwas genauer, stellt man fest, dass in einigen weniger beliebten Gebieten des Kantons die Preise für Eigentumswohnungen zum zweiten Mal in Folge im Vergleich zum Vorquartal leicht gesunken sind. Dies ist ein weiterer Beweis – wenn es denn einen bräuchte –, dass die Käufer viel wählerischer geworden sind. 

 

Nachfrage wird vom Bevölkerungswachstum gestützt  
 

Aufgrund des Bevölkerungswachstums bleibt der Immobilienmarkt dennoch solide. Laut ZKB ist der Arbeitsmarkt ausgetrocknet. Die Arbeitslosenquote ist niedrig, sodass die Nachfrage nach ausländischen Arbeitskräften hoch ist. Und diese ziehen Grossstädte vor. Infolgedessen sei die Nettozuwanderung in die Schweiz und in den Stadtkanton Zürich im Jahr 2022 so hoch gewesen wie seit 2011 nicht mehr. In Zahlen ausgedrückt bedeutet dies, dass im Jahr 2022 schweizweit etwa 80 000 Personen und allein in den Kanton Zürich etwa 20 000 Personen zugewandert sind.
 

Und da es laut Prognosen in der Schweiz in den nächsten Monaten wirtschaftlich besser laufen sollte als in den Nachbarländern, dürfte sich diese Zuwanderung auch 2023 nicht verlangsamen.  

 

Unzureichendes Angebot  
 

Das Problem sei, so die ZKB, dass die Bauindustrie auf dieses Wachstum der Wohnbevölkerung nicht vorbereitet gewesen sei. Ganz im Gegenteil, die Zahl der Mietwohnungen sei seit 2018 um rund 25% zurückgegangen. Im Jahr 2018 wurden in der Schweiz fast 30 000 Baubewilligungen pro Quartal erteilt, im letzten Quartal 2022 waren es aber nur noch etwa 20 000. 
 

Für die Zürcher Experten war dies eine Reaktion auf die damalige Zunahme der leerstehenden Mietwohnungen in ländlicheren Regionen, die heute die Städte benachteiligt. Die neuen Bauprojekte wiederum werden laut der ZKB durch die geringe Verfügbarkeit von Land, hohe Grundstückspreise, den Widerstand der Bevölkerung und eine rigide Anwendung der Lärmschutzvorschriften gebremst.  
 

Gleichzeitiger Mietanstieg  
 

Bei steigender Nachfrage und stagnierendem Angebot ist logischerweise ein Rückgang der Leerwohnungszahlen zu verzeichnen, und zwar sowohl bei Eigentums- als auch bei Mietwohnungen – und dies bereits das zweite Jahr in Folge. Laut ZKB werden Mietwohnungen an zentralen Lagen im Kanton Zürich immer mehr zur Mangelware. Und dies wirkt sich automatisch auf die Mieten aus, die in den letzten Monaten in der Stadt Zürich bereits stark gestiegen sind: um mehr als 6% an den begehrtesten Lagen, wenn man den Indizes Glauben schenken darf. 
 

Schweizweit betrug der durchschnittliche Mietanstieg im Jahr 2022 3,2%, während er sich im Jahr 2021 auf gerade 1,1% belaufen hatte. Gemäss den Prognosen der ZKB-Experten dürfte sich der Anstieg 2023 weiter beschleunigen, und zwar auf 3,5% für die gesamte Schweiz und auf 4% für den Kanton Zürich.
 

Olivier Toublan, Immoday