Immobilienbranche: (noch) keine Trendwende in Sicht

05/07/2022

Immoday

Olivier Toublan

3 Min

 

Immobilienpreise und Mieten steigen weiter, aber das Tempo hat sich verlangsamt. Wegen der steigenden Hypothekarzinsen ist Eigentum aus finanzieller Sicht inzwischen weniger attraktiv als Miete. Was zu einem Abwärtsdruck auf die Preise führt.

 

Am freundlichen Himmel über den Schweizer Immobilienanlagen ziehen einige Wolken auf. Dies gibt zwar zu bedenken, ist aber noch kein Grund zur Sorge, versichern die Immobilienspezialisten der Zürcher Kantonalbank (ZKB/BCZ) in ihrem aktuellen Immobilienbarometer. Hier ist eine Zusammenfassung ihrer Ergebnisse.
 

1. Die Zinssätze steigen wieder


Auch wenn sich die Nationalbank bisher nicht zu einer Anhebung des nach wie vor negativen Leitzinses geäussert hat, nehmen die Märkte diese Entscheidung vorweg. Und tatsächlich haben die Ökonomen der Zürcher Kantonalbank festgestellt, dass die mittel- und langfristigen Hypothekarzinsen in letzter Zeit gestiegen sind. Wie auch die zehnjährige Bundesanleihe, die Mitte April 0,9 % erreichte, bevor sie wieder etwas zurückging. Was seit fast zehn Jahren nicht mehr vorgekommen war. Doch nach Meinung der Spezialisten der ZKB dürfte die SNB Ende des Jahres eine erste Erhöhung und im kommenden Jahr zwei weitere ankündigen.
 

2. Eigentümer zu sein, bringt weniger Vorteile


In diesem neuen Zinsumfeld, versichern die Ökonomen der ZKB, werden sich die finanziellen Abwägungen zwischen Miete und Eigentum verändern. Sie erinnern daran, dass Eigentümer in den letzten Jahren im Vergleich zu Mietern viel gespart haben. Bis zu 12 000 Franken im Jahr für eine standardmässige 4-Zimmer-Wohnung im Kanton Zürich, so ihre Berechnungen. Und dieser finanzielle Vorteil hat sich durch die aktuellen Hypotheken in Luft aufgelöst. 

In den teuren Gemeinden rund um den See sowie in der Stadt Zürich selbst zahlt ein neuer Eigentümer jetzt schon etwas mehr als ein Mieter, schätzt die ZKB. Dies führt zu einer niedrigeren Nachfrage nach Eigentum und damit auch zu einem Abwärtsdruck auf die Preise. Auch wenn, wie die Spezialisten der Zürcher Bank einräumen, finanzielle Motive nicht die einzigen sind, die beim Kauf einer Wohnung eine Rolle spielen. 
 

3. Das Risiko einer Überhitzung bleibt


Für die ZKB besteht weiterhin das Risiko einer Überhitzung. «Das Angebot an Wohneigentum ist nach wie vor so begrenzt, dass ein signifikanter Rückgang der Immobilienpreise vorerst höchst unwahrscheinlich bleibt.» Daher bleiben die Warnungen der SNB und der FINMA weiterhin gültig. «Doch ist der kontinuierliche Anstieg der Immobilienpreise kein Naturgesetz. Im Gegenteil, auch der Immobilienmarkt funktioniert antizyklisch. Dessen sollten sich Immobilienkäufer bewusst sein.» Denn auch wenn eine Trendwende unwahrscheinlich ist, wie die Ökonomen der ZKB immer wieder betonen, muss es nunmehr heissen: «vorerst».
 

4. Die Immobilienpreise steigen nicht mehr so schnell 


Eine gute Nachricht für Investoren ist, dass die Immobilienpreise weiterhin steigen. Im Kanton Zürich lag der Anstieg im ersten Quartal noch bei 1,6 %. Auf das Jahr gesehen stiegen die Preise auf 10,3 % und in den begehrtesten Regionen sogar auf 13,5 %. Mit Preisen, die sich in den letzten fünfzehn Jahren im Durchschnitt fast verdoppelt haben. Aber Vorsicht: Seit einigen Monaten verlangsamt sich alles. Wie die Ökonomen der ZKB erläutern, «fanden die Transaktionen aus dem ersten Quartal noch vor dem Anstieg der Zinssätze statt, weshalb die Entwicklung der kommenden Monate beobachtet werden muss.» 
 

5. Die Bevölkerung wächst weiter


Ein Faktor dürfte die Immobilienpreise allerdings weiter in die Höhe treiben: das Bevölkerungswachstum. Auch wenn sich dieses wegen der Pandemie verlangsamt hat, bleibt es hoch: etwa 60’000 Menschen mehr pro Jahr, so die offiziellen Prognosen. Darin ist der Zustrom von Geflüchteten aus der Ukraine noch nicht berücksichtigt. Mit einer Rekordzahl an Geburten «zeigt die Schweiz derzeit ein starkes Wachstum und sorgt so für eine gute Absorption des leerstehenden Wohnraums». 
 

6. Die Mieten steigen im ersten Quartal weiter an 


Seit 2019 ist die Mietpreisentwicklung wieder positiv. Im vergangenen Jahr war ein durchschnittlicher Anstieg von über 1 % zu verzeichnen – ein Trend, der sich auch im 1. Quartal 2022 fortgesetzt hat. Es bleibt nun abzuwarten, ob sich dieser Trend angesichts der vielen und vor allem in den Randlagen neu entstandenen Wohnungen fortsetzen wird. Dies dürfte in den städtischen Gebieten, in denen Wohnraum nach wie vor knapp ist, der Fall sein. 
 

7. Die Immobilienpreise dürften weiter steigen 


Es zeichnen sich also mehrere widersprüchliche Tendenzen ab. Wie werden sie sich auf die Immobilienpreise auswirken? Den Ökonomen der ZKB nach «dürften die steigenden Energiepreise und eine mögliche Zinserhöhung durch die SNB die Nachfrage leicht bremsen». Gleichzeitig werde das Angebot jedoch kaum zunehmen und häufig ungenügend bleiben, «was zu weiteren Preissteigerungen führen dürfte». 

Das gilt auch für Mieten, die weiter wachsen dürften, auch wenn «der Anstieg der Nettomieten vor allem im unteren Mietpreissegment durch höhere Ausgaben für Strom und Energie gedämpft werden wird». 

Dennoch dürften alle diese Anstiege geringer ausfallen als in den letzten Jahren. Die Zeiten der Immobilieneuphorie liegen wohl hinter uns.
 

Olivier Toublan, Immoday