Tokenisierung von direkten Immobilien? In der Schweiz unmöglich

08/06/2022

Immoday

Olivier Toublan

5 Min

Immobilienmonitoring N°12, 8. Juni 2022, Immoday

 

Immobilienfondsverwalter, keine Panik! Denn trotz des Einzugs der Tokenisierung werden Eigentümer und Anleger Sie immer brauchen. Die aktuelle Schweizerische Gesetzgebung erlaubt die Tokenisierung von direkten Immobilien nicht. Ein zwischengeschaltetes Vehikel – zum Beispiel ein Fonds – bleibt daher unumgänglich.


Die Tokenisierung von Immobilien steckt noch in den Kinderschuhen. Dennoch ist Bewegung in die Sache gekommen und die Versprechen dieser Finanztechnologie – Transparenz, Schnelligkeit, Einfachheit, niedrige Kosten – sind so gross, dass sie sich früher oder später durchsetzen wird. Auch in einem so konservativen Sektor wie der Immobilienbranche.

In diesem Kontext ist es für Immobilienfondsverwalter besonders erfreulich, dass sie durch die Tokenisierung auf kostspielige Vermittler wie Banken, Anwälte oder Notare verzichten können, wenn sie eine direkte Beziehung zu Anteilseignern aufbauen wollen. Was ihnen jedoch Sorge bereitet, ist die Tatsache, dass durch die Tokenisierung ihrer Gebäude potenziell auch Immobilieneigentümer auf sie verzichten könnten, um direkt Anleger zu finden.

Denn theoretisch macht es die Blockchain nun möglich, Häuser und Wohnungen zu tokenisieren und unkompliziert zahlreiche Investoren zu finden, ohne über ein klassisches Immobilienanlagevehikel gehen zu müssen. Immerhin scheitert in der Schweiz die Theorie noch an der rechtlichen Realität.

 

Die Schweiz, ein «kryptofreundliches» Land

 

Doch auch wenn die Schweiz als «kryptofreundlich» gilt – was dazu geführt hat, dass zahlreiche renommierte Blockchainprojekte das Land als Basis für ihre Aktivitäten gewählt haben –, müssen sich Fondsverwalter keine Sorgen machen, versichert Catrina Luchsinger Gähwiler von MLL Meyerlustenberger Lachenal Froriep Ltd. in einer aktuellen Studie zu diesem Thema, die auf der Lexology-Website veröffentlicht wurde.

Denn «in der Schweiz kann das Eigentum an einer Immobilie nicht in Form eines Tokens angeboten, also auch nicht mit diesem übertragen werden», führt Catrina Luchsinger Gähwiler an. «Nach den Bestimmungen des Zivilgesetzbuches ist Eigentümer einer Immobilie derjenige, der im Grundbuch eingetragen ist. Eine Übertragung des Eigentums ausserhalb dieses Registers ist also nicht möglich.»

Daher sollte klar zwischen der Möglichkeit der Tokenisierung von direktem Grundeigentum und der Tokenisierung von indirekten Immobilieninvestitionen, z. B. über einen Anlagefonds, unterschieden werden. In letzterem Fall gibt es kein Problem, da ein Fonds heute schon seine Anteile in Form von Token ausgeben kann.


Das Problem der Lex Koller

 

Bei direkten Immobilien sieht es aber anders aus. Die rechtlichen Hürden sind zahlreich. «Zugegeben, auf den ersten Blick gibt es viele Vorteile wie finanzielle und zeitliche Effizienz, höhere Liquidität, mehr Transparenz und Sicherheit», zählt Catrina Luchsinger Gähwiler auf. «Bei einer Tokenisierung lässt sich ein Wert beliebig in viele kleine Einheiten aufteilen, was Crowdfunding vereinfachen und auch die Übertragung der einzelnen Anteile erleichtern würde.»

 

Doch fügt die Expertin sofort hinzu, dass es noch einige Hindernisse zu überwinden gilt, um eine solche Realität zu erreichen. Zunächst einmal wegen der Knappheit von Immobilien. «In der Schweiz könnte die Öffnung des Immobilienmarktes für Crowdfunding zu einem weiteren Anstieg der Preise führen. Und solche Aufwärtsentwicklungen neigen dazu, auf politischer Ebene ein Feuer zu entfachen.»

Und dann gibt es da noch das Problem der Lex Koller (BewG). Eine Tokenisierung von Immobilien würde nämlich die generelle Öffnung des Marktes für Ausländer bedeuten. «Bevor die Lex Koller nicht aufgehoben wird, erscheint die Tokenisierung direkter Immobilieninvestitionen in der Schweiz nicht realistisch. Bei den Befürwortern der Lex Koller ist die Angst zu gross, dass die Schweizer Bürger durch die relative Anonymität der Blockchain nicht mehr ausreichend geschützt sind. Die Idee eines von einer öffentlichen Blockchain verwalteten Schweizer Immobilienmarktes wird ein blosses Fantasiegebilde bleiben, solange die Lex Koller nicht aufgehoben wird.»

 

Viele Fragen bleiben offen

 

«Und das ist noch nicht alles», fährt Catrina Luchsinger Gähwiler fort. Viele weitere Fragen sind noch offen. Wie würden im Falle einer Tokenisierung von direkten Immobilien künftig die Steuern auf Immobiliengewinne erhoben werden? Wie muss Miteigentum gestaltet werden, damit Crowdfunding in einer anonymen Umgebung möglich ist, wenn doch die aktuelle Gesetzgebung bei einer Übertragung die Beteiligung jedes Token-Besitzers fordert? Wie können Verantwortlichkeiten, die sich aus dem Nachbarrecht, dem Recht des Baueigentümers oder den Instandhaltungspflichten ergeben, durchgesetzt werden?


«Angesichts dieser offenen Fragen, die einer Lösung bedürfen, und der immer noch brennenden politischen Debatten um das Grundeigentum scheint eine Tokenisierung des direkten Grundeigentums in der Schweiz auch auf lange Sicht ausgeschlossen zu sein», schliesst Catrina Luchsinger Gähwiler.
 

Olivier Toublan, Immoday