COPTIS - Round Table: «ESG im Spannungsfeld zwischen Regulierung, Kosten und Markterwartung»

09/12/2021

COPTIS

COPTIS

5 Min


Am 6. Oktober 2021 veranstaltete COPTIS einen Round Table, moderiert von Marco Chinni, CEO Primecoach AG und Leiter der COPTIS Arbeitsgruppe ESG. In einer spannenden Runde wurden die Herausforderungen für die Branche hinsichtlich ESG im Spannungsfeld zwischen Regulierung, Kosten und Markterwartung erörtert.

 

In seinen einleitenden Worten hielt COPTIS-Präsident Manuel Leuthold fest, dass ESG grundsätzlich etwas Positives sei, die Umsetzung der Kriterien aber Sorgen bereite. Man bewege sich zwischen Erwartetem und Kommuniziertem und dem, was effektiv umgesetzt werde. Er hielt fest, dass ESG hierzulande noch wenig reguliert sei, entsprechende Vorgaben aber nur eine Frage der Zeit seien. Dazu kämen die Kosten der ESG-Umsetzung unter Berücksichtigung der Anliegen der Stakeholder. Leuthold verbarg nicht eine gewisse Frustration in Anbetracht der Erwartungen, ESG in diesem Spannungsfeld perfekt umzusetzen.

 

Marco Chinni präsentierte anschliessend als Leiter der COPTIS Arbeitsgruppe ESG deren bisherige Tätigkeiten und Pläne. Er verwies auf die hohe Priorität, die das Thema ESG bei COPTIS geniesst und erörterte die entsprechende Strategie und Politik des Verbandes. Wie diese im Alltag aussehen soll, beschreibt der Praxisleitfaden, der vom ESG Team von COPTIS erarbeitet wurde. Ausserdem wurde ein Monitoring eingerichtet, welches aktuelle Beobachtungen bezüglich ESG in den Märkten sowie hinsichtlich der Regulierung in der EU und in der Schweiz beinhaltet.

 

Abschliessend orientierte Chinni über ein geplantes Ausbildungsprogramm und leitete über zur Round Table-Diskussion mit Andreea Stefanescu (CEO Solufonds SA und Geschäftsführerin COPTIS), Sasha Cisar (Sustainability Manager & Senior Sustainability Analyst Real Estate, Bank J. Safra Sarasin), Markus Schmid (Dipl. Wirtschaftsprüfer/ Dipl. Finanzanalytiker, Aufsichtsexperte bei der FINMA) und Dr. Daniel Wild (Global Head of ESG Strategy, Credit Suisse AG).

 

Marco Chinni wies einleitend darauf hin, dass ESG ein Thema sei, welches alle betreffe, im Privaten wie auch im beruflichen Alltag. Es handle sich um eine spannende, «greifbare» Thematik für die Finanzindustrie.
 

ESG als Top-Thema

 

Podiumsteilnehmer waren sich einig, dass man heute nicht mehr erklären müsse, warum ESG wichtig sei. Daniel Wild schränkte ein, dass dies die Aufgabe nicht leichter gemacht habe, da es viele verschiedene Ansätze und Präferenzen der Kunden gebe. So seien institutionelle Kunden viel stärker an ihre Rahmenbedingungen gebunden als beispielsweise Privatbanken und es bestünden auch regionale Unterschiede. Es lohne sich also, Kunden ESG ihren Präferenzen entsprechend und transparent näherzubringen und so die Kundenbindung zu stärken. Gerade jüngere vermögende Kunden wollten einen positiven Beitrag an die Gesellschaft leisten, verbunden jedoch mit dem Erhalt des Kapitals.

 

Andreea Stefanescu erklärte, als Fondsleitung habe man die Endinvestoren in den Produkten und diese stellten klare Anforderungen hinsichtlich Transparenz. Auf der anderen Seite habe man die direkten Kunden wie Vermögensverwalter und Banken, die auf der Solufonds-Plattform ihre Fonds aufgesetzt hätten. Dort sei die Entwicklung sehr schnell gegangen, heute sei ESG das Top-Thema.

 

Sasha Cisar bestätigte die Voten seiner Vorredner. Die institutionellen Anleger wollten zum Teil sehr genau wissen, wie das Reporting aussehe, was genau im Portfolio drin und was der eigene Beitrag sei. Auch bei den Privatkunden wachse das Interesse, vor allem auch jüngere und weibliche Kunden wollten ihren Beitrag leisten, die Probleme zu lösen. Sie achteten dabei nicht nur auf die aufgelegten und vertriebenen Produkte, sondern auch auf die Bank und deren Auftreten, ihre Nachhaltigkeitsstrategie oder ihre Geschäftskultur.
 

 

Transparenz im Fokus

 

Marco Chinnis Einwurf, dass es sich viele Player zu Beginn der «ESG-Welle» mit grünen Produkten etwas zu einfach gemacht hätten, teilte Andreea Stefanescu nicht. Die Aufsicht habe klar Guidelines aufgestellt, und als Fondsleitung habe man eine entsprechende Sorgfaltspflicht gegenüber den Investoren. In Diskussionen mit Kunden sei es im ESG-Bereich wie bei anderen Produkten wichtig, genau zu sagen, was effektiv im Produkt enthalten ist.

 

Markus Schmid berichtete über die Analyse der FINMA von schweizerischen und hauptsächlich luxemburgischen Fonds. Der Gap sei vor allem bezüglich der Transparenz der Fondsdokumente beträchtlich, weil sich die luxemburgischen Fonds nach der Verschärfung der SFDR auf einem ganz anderen Level bewegen müssten. Hierzulande hingegen sei die Beschreibung der Anlagestrategien teilweise noch rudimentär. Die Schweizer Institute wollten aber trotz fehlender spezifischer Regulierung nachziehen.

 

Mehrwert durch ESG-Daten

 

Zur Transparenz nach aussen und der Schwierigkeit der verschiedenen Ratings meinte Daniel Wild, die Resultate seien unterschiedlich, aber nicht falsch. Die Ratings würden nach unterschiedlichen Zielsetzungen erstellt und es gebe auch unterschiedliche Bemessungsmethoden. Er würde sich wünschen, wenn zumindest die dahinterliegenden Daten vergleichbar wären. Das bedeute aber nicht, dass die Interpretation überall die Gleiche sein müsse. Vielmehr sei es am Anbieter, durch die Interpretation der ESG-Daten für Kunden einen Mehrwert zu schaffen. Ein ESG-Reporting zu haben, sei ein enorm wertvolles Instrument, weil es die Kundenbindung stärke und es ermögliche, aus der grossen Anzahl Produkte ganz nach Kundenpräferenzen diejenigen auszuwählen, die am besten zum Kunden passen.

 

Bezüglich Standards von Immobilienfonds stellte Markus Schmid Aufwind für GRESP fest. Bei der Untersuchung einzelner Fonds in der Schweiz sei aufgefallen, dass diese trotz unterschiedlicher Portfolios am Schluss sehr gute GRESP-Ratings aufwiesen. Dabei sei festzustellen, dass auch beim GRESP-Rating auf Fondsebene nicht nur das E zähle, sondern auch S- und G-Aspekte, wo grosse Fondsleitungen sehr gut abschneiden würden. Es sei erstaunlich, wie wenig das E differenziere zwischen einem 30jährigen Immobilien-Portfolio und neuen Bauten.

 

Sasha Cisar betonte das Engagement und den direkten Dialog als wichtige Werkzeuge im nachhaltigen Investieren. Auch im Immobilienbereich gebe es eine Vielzahl Stakeholder und Anspruchsgruppen, mit denen man einen Dialog führen könne. In diesem Zusammenhang wies Andreea Stefanescu auf die Schwierigkeit hin, dass es Mieter gebe, die die Nachhaltigkeitsstrategie des Immobilienbesitzers nicht mitmachen wollten, da diese für sie oftmals zu grossen Veränderungen und höheren Mieten führten – oder anders gesagt, das E in ESG auf Kosten des S gingen. Sasha Cisar räumte ein, dass es bei dieser Problematik keinen perfekten Ansatz gebe. Aber ein nachhaltiger Investor müsse auch versuchen, auf die Mieter einzugehen und eine Sanierung sozialverträglich umzusetzen. Aus der Diskussion ging eindrücklich hervor, dass gerade Immobilien Asset Manager zu einem grossen Spagat zwischen Umwelt und Sozialem gezwungen sind - und gleichzeitig die Anliegen der Investoren berücksichtigen müssen.

 

Angesprochen auf die Kosten und enormen Investitionen sagte Sasha Cisar, Investitionen in Immobilien fielen so oder so an. Wichtig sei vor allem, dass man diese so steuere, dass sie zum Erreichen der Nachhaltigkeitsziele beitragen würden. Es sei wichtig, in Sanierungszyklen die richtigen Entscheide zu treffen, und die Gebäude so zu sanieren, dass sie auch zukunftsfähig blieben.

 

Wie wird eine künftige Regulierung aussehen?

 

Zum Thema Regulierung verwies Sasha Cisar auf die aktuellen Entwicklungen in der Schweiz und sagte, man werde eine Antwort finden müssen auf das, was derzeit in der EU als nachhaltige Finanzanlagen definiert werde. Bis zu einem gewissen Grad werde man in diesem Bereich nachziehen müssen. Daniel Wild plädierte für Einheitlichkeit, die sehr hilfreich sei, weil sie den Kunden Transparenz bringe. Er hofft, dass die europäische Regulierung nicht über das Ziel hinausschiesst und quasi die Lösungen reglementiert. Es gebe verschiedene Lösungsansätze, die verfolgt werden sollten, solange sie den Kunden volle Transparenz ermöglichten. Auch Markus Schmid denkt, dass für die Schweiz eine vereinfachte Schweizer SFDR-Lösung wünschenswert wäre, die es erlaubt, sich mit gewissen Mindestvorgaben an ausländischen Normen zu orientieren.