Immobilien-L-QIF: Rückkehr zum Liberalismus der 1950er-Jahre?

08/02/2023

Philippe Zufferey, Jean-Yves Rebord

BCV, Python

7 Min

Mit der wahrscheinlichen Markteinführung von L-QIF im Jahr 2025 werden insbesondere die Rollen im Bereich der Aufsicht neu definiert. Vor allem, wenn diese Fonds in Immobilien investieren.  
 

Die ersten L-QIF dürften voraussichtlich im Laufe des Jahres 2025 aufgelegt werden. Damit wird am Schweizer Markt für kollektive Kapitalanlagen ein liberaler Wind wehen, der uns in die regulatorische Welt der 1950er-Jahre zurückzuversetzen scheint. Da Immobilien bei kollektiven Anlagen jedoch immer eine Ausnahme darstellen, werden hier kurz die geplanten oder noch einzuführenden Schutzdispositive vorgestellt, damit Immobilien-L-QIF keinen Schiffbruch erleiden.  
 

Zur Erinnerung: Das Parlament verabschiedete im Dezember 2021 eine Änderung des Kollektivanlagengesetzes, welche die Lancierung neuer Vehikel ohne Bewilligung oder direkte Aufsicht durch die FINMA ermöglichen soll. Im vergangenen September schickte das Eidgenössische Finanzdepartement eine Änderung der Verordnung über die kollektiven Kapitalanlagen, die unter anderem die Anlagevorschriften für diese neuen Vehikel festlegt, in die Vernehmlassung. Die Vernehmlassung führte zu zahlreichen Stellungnahmen, die Immobilien-L-QIF jedoch kaum betreffen.
 

Auf den ersten Blick scheinen die Anlagevorschriften, die für L-QIF gelten werden, die liberalsten zu sein, welche es in der Schweiz in diesem Bereich je gegeben hat. Theoretisch scheint es allgemein so zu sein, dass jede Investition, die von mindestens zwei unabhängigen Personen gemeinsam in einen Basiswert getätigt wird, der eine Rendite abwerfen oder einen Wertzuwachs erzielen kann, möglich ist, ohne Vorgaben zur Risikoverteilung erfüllen zu müssen. Hier wird deutlich, wie weit wir in zwei Jahrzehnten gekommen sind, wurden doch bis 2007 Investmentfonds als Vermögen definiert, das aufgrund öffentlicher Werbung von Anlegern zum Zwecke gemeinschaftlicher Kapitalanlage aufgebracht und nach dem Grundsatz der Risikoverteilung verwaltet wird. 
 

Anlagevorschriften für Immobilien-L-QIF  
 

Anders als bei gewöhnlichen kollektiven Kapitalanlagen, die in Form von vertraglichen Fonds oder SICAV organisiert sind, kategorisieren die Vorschriften für L-QIF die Produkte nicht nach der üblichen Segmentierung «Effektenfonds», «übrige Fonds für traditionelle und alternative Anlagen» oder «Immobilienfonds». Die Anlagevorschriften sind immobilienspezifisch und gelten, sobald ein L-QIF eine Investition in eine Immobilie tätigt, selbst wenn sein Portfolio überwiegend in andere Anlagekategorien investiert ist. Der Regulierungsansatz lässt sich mit demjenigen der Anlagestiftungen und der KmGK vergleichen. 
 

Die wichtigste Regel, die für alle L-QIF, die in Immobilien investieren, verbindlich gelten soll, ist die Obergrenze für die Belehnung. Diese soll sich im Durchschnitt auf nicht mehr als die Hälfte des Verkehrswerts der Immobilien belaufen dürfen. Im Gegensatz zu traditionellen Immobilienfonds, die zwar der Aufsicht unterliegen, aber qualifizierten Anlegern vorbehalten sind, soll diese Verschuldungsfähigkeit dauerhaft und nicht – wie derzeit von der FINMA praktiziert – auf einen Zeitraum von vier bis fünf Jahren nach der Auflegung beschränkt sein. 
 

Ansonsten herrscht dem Anschein nach eine nahezu absolute «Vertragsfreiheit», d. h., die Höchstgrenzen, die im Hinblick auf die Risikoverteilung einzuhalten sind, werden nur im Fondsvertrag oder im Anlagereglement festgelegt. Es geht also vor allem darum, festzulegen, welchen prozentualen Anteil des Vermögens (i) der Verkehrswert der Immobilien, (ii) Bauland, (iii) Baurechte, (iv) Schuldbriefe oder (v) andere Anteile an Immobilienfonds oder Immobilieninvestmentgesellschaften höchstens ausmachen dürfen, wobei jeder dieser Prozentsätze 100% betragen kann. L-QIF dürfen auch in Grundstücke ohne Baubewilligung und ohne Ausstattung investieren. Zu guter Letzt sollen auch Immobiliengeschäfte mit nahestehenden Personen möglich sein, wenn mindestens die Hälfte der Investoren zustimmt, was eine grundlegende Abkehr vom bisherigen Regulierungsansatz darstellt. 
 

Diese augenscheinliche Vertragsfreiheit geht mit einer erhöhten Informationspflicht über die Risiken einher. Wie weit diese tatsächlich gehen wird, wird an den immer strikteren Vorgaben für das Risikomanagement getestet werden müssen, die ebenfalls und uneingeschränkt für L-QIF gelten werden, insbesondere was die Liquidität betrifft. Diesbezüglich sollen L-QIF, die als SICAV oder als vertragliche Fonds organisiert sein werden und Immobilien halten, eine Lock-up-Periode von fünf Jahren nach der Auflegung einführen und für die Zeit danach ein Recht auf Rückzahlung vorsehen können, das nur alle zwei Jahre ausgeübt werden darf. 
 

Die Kontrolle der Anlagevorschriften 
 

Wie bei den heutigen vertraglichen Anlagefonds und Immobilien-SICAV obliegt die Kontrolle der Anlagevorschriften ex ante hauptsächlich der Fondsleitung und der Depotbank und ex post der Revisionsgesellschaft. Diese Vehikel werden deshalb ihre gewohnten Matrizen überarbeiten müssen, da sich, wie bereits erwähnt, die Anlagevorschriften nicht mehr auf die Produkte, sondern auf die Basiswerte beziehen und die Grenzen von der Vertragsfreiheit abhängen werden, die in den einzelnen Anlagereglementen und nicht mehr im Gesetz verankert ist. 
 

Die Einführung der Kontrolle auf Transaktionsebene sollte keine grossen Schwierigkeiten bereiten. Die Kontrolle des Risikomanagements auf mittlere Sicht (insbesondere nach Ablauf der Lock-up-Perioden) und die Prüfung der Robustheit der Stresstests hingegen werden sicherlich neue Herausforderungen darstellen, insbesondere für Depotbanken, die keine Erfahrung mit luxemburgischen RAIF haben. Unabhängig davon, wie die Verantwortlichkeiten in diesem Bereich verteilt sein werden, wird das Management des Reputationsrisikos durch jeden einzelnen Akteur der privaten Aufsicht einer der wichtigsten Massstäbe für die gesetzlich eingeräumte Vertragsfreiheit sein. 
 

In Sachen Reputation sind Immobiliengeschäfte zwischen nahestehenden Personen ein sehr heikler Bereich. Sie werden sich jeglicher staatlichen Ex-ante-Kontrolle entziehen, sodass den Akteure mehr Verantwortung zukommen wird. Da anstelle einer von der FINMA genehmigten Ausnahmeregelung nun die Zustimmung von mindestens der Hälfte der Anleger erforderlich sein wird, wird sowohl auf Ebene der Fondsverträge und Anlagereglemente als auch mit der Depotbank ein Ad-hoc-Prozess eingeführt werden müssen, um solche Transaktionen wirksam zu koordinieren – insbesondere bei vertraglichen Fonds, die keine Generalversammlung haben. 
 

Fazit  
 

Mit den L-QIF scheinen die schweizerischen kollektiven Kapitalanlagen zum Liberalismus zurückzukehren, der zu Beginn des Nachkriegsbooms («Glorreiche Dreissig») herrschte. Doch natürlich hat sich die Welt seit den 1950er-Jahren stark verändert. Die Kultur der Compliance und des Risikomanagements hat sich mittlerweile in einem noch nie dagewesenen Ausmass durchgesetzt und wird weiter an Bedeutung gewinnen. Zudem werden sich auch L-QIF der immensen Herausforderung des Klimawandels stellen müssen, was insbesondere zur Folge hat, dass die Auswirkungen der neuen einschlägigen Vorschriften, die sowohl in Bezug auf das Bauen als auch hinsichtlich der Aufsicht noch mit sehr vielen Unsicherheiten behaftet sind, werden antizipiert werden müssen.
 

Die L-QIF werden also einen Balanceakt vollziehen müssen zwischen den liberalen Anlagevorschriften, die fast unendliche Möglichkeiten bieten, und den Risiken, denen sie sich aussetzen und deren Quellen – insbesondere die regulatorischen – noch nicht abschliessend identifiziert sind. In diesem sehr speziellen Kontext werden private Aufsichtsakteure zudem die bis anhin vom Staat wahrgenommene Kontrollfunktion übernehmen müssen. Es müssen deshalb wirksame Kontrollprozesse entwickelt werden, um zu verhindern, dass das Reputationsrisiko Initiativen und dessen Eintreten die L-QIF selbst erstickt. In diesem Zusammenhang ist zu bedenken, dass das Parlament nur mit knapper Mehrheit Immobilien als zulässige Anlagen für L-QIF eingestuft hat und dass der kleinste Skandal diese knappe Mehrheit kippen könnte. Die Depotbanken als Hüter der Werte und der Einhaltung der Anlagevorschriften werden natürlich eine zentrale Rolle dabei spielen, dass die Immobilien-L-QIF gelassen auf einen langfristigen Erfolg zusteuern können. 


 

Philippe Zufferey,
Leiter der Depotbank,
BCV
 

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Jean-Yves Rebord,
Partner,
Anwaltskanzlei Python


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