Nicht kotierte Fonds – das Scheinproblem Liquidität

31/05/2021

Laure Carrard

IMvestir Partners SA

4 min

Nicht kotierte Immobilienfonds haben für die Anleger einen grossen Nachteil: ihre geringe Liquidität. Doch schaut man näher hin, ist diese Liquidität nicht viel geringer als diejenige der meisten kotierten Fonds – vor allem, wenn man ein institutioneller Anleger ist.

 

Für Grossanleger ist der wesentliche Nachteil des Marktes für nicht kotierte Immobilienfonds dessen mangelnde Liquidität. Das steht ausser Frage. Doch ist es wirklich besser, wenn man sich auf kotierte Fonds beschränkt? Schliesst man die zwei oder drei grössten Vehikel, die den Markt beherrschen und deren Kapitalisierung sich im Milliardenbereich bewegt, aus, so stellt man fest, dass auch bei den meisten kotierten Fonds die Liquidität letztlich ziemlich dürftig ist, vor allem, wenn man umfangreiche Transaktionen durchführen möchte.

Die geringe Liquidität der nicht kotierten Fonds könnte also ein Scheinproblem sein. Wir haben hierzu zwei Experten befragt: Laure Carrard, eine Spezialistin für indirekte Immobilienfonds und Geschäftsführerin der IMvestir Partners SA, eines Beratungsunternehmens für Immobilienanlagen, und Bruno Mathis, Leiter des Sekundärmarkts für Immobilienfonds und der Anlegerdienste bei der Depotbank der BCV.

 

Alle Anleger sagen, einer der grossen Nachteile der nicht kotierten Fonds sei deren geringe Liquidität. Doch stimmt das auch?


Bruno Mathis : Schauen wir uns zuerst die Zahlen an. Letztes Jahr betrug das Handelsvolumen der Immobilienfonds an der Börse 750 Millionen Franken pro Monat. Für die nicht kotierten Fonds gibt es derzeit keine Zahlen zum Handelsvolumen. Der Markt ist zu dezentral und der Handel erfolgt ausserbörslich, sodass die Transaktionen für den Markt unsichtbar sind.
 

Laure Carrard : Auf den ersten Blick scheint die Liquidität tatsächlich einer der grossen Nachteile der nicht kotierten Fonds zu sein. Doch man muss relativieren. Wenn man als Privatanleger an der Börse Anteile für einige zehntausend Franken verkaufen möchte, ist dies kein Problem. Ist man jedoch institutioneller Anleger und handelt es sich um Millionenbeträge, dann ist die Börse nicht wirklich für solche Volumen geeignet. Bisweilen dauert es Wochen, bis man seine Anteile verkauft hat. Sind grosse Summen im Spiel, sind die kotierten Immobilienfonds also nicht wirklich viel liquider als die nicht kotierten.
 

BM : Das belegen auch die Zahlen. Die Handvoll sehr grosser, milliardenschwerer kotierter Immobilienfonds sorgt für fast zwei Drittel der Marktliquidität. Bei den meisten kleinen Fonds beträgt das monatliche Transaktionsvolumen nicht mehr als einige Millionen Franken. Und häufig muss ein Market Maker beigezogen werden, um Käufer zu finden. Damit macht man also mehr oder weniger die gleiche Arbeit wie bei Anteilen nicht kotierter Fonds.

 

Wie laufen die Transaktionen bei nicht kotierten Fonds ab?


BM : Jeder Fonds ist gesetzlich verpflichtet, einen Sekundärmarkt zu organisieren. Doch da das Managementteam in der Regel weder über dieses Know-how noch über die Bewilligung verfügt, beauftragt es eine Bank, die als Market Maker fungiert und die Aufträge der Anleger zentralisiert. Die Transaktionen werden teilweise direkt zwischen den Anlegern abgewickelt.
 

Wäre es nicht möglich, dieses Verfahren zu verbessern, die Transaktionen transparenter zu machen?


BM : Genau das beabsichtigen wir mit PropertyMatch, einer digitalen Plattform, die alle Akteure im Bereich der indirekten Immobilien – von den Fondsemittenten bis zu den Investoren – zusammenbringt. Sie können auf dieser Plattform ihr Interesse für nicht kotierte Fonds bekunden, sich über das Geschehen auf diesem Markt informieren und herausfinden, an wen sie sich wenden können, wenn sie Anteile nicht kotierter Fonds kaufen oder verkaufen möchten. In den ersten Gesprächen, die wir mit den Investoren diesbezüglich geführt haben, waren die Rückmeldungen sehr positiv, was diesen grossen Bedarf an Liquidität und Transparenz ebenfalls belegt.
 

LC : Dank dieser Plattform wird der Markt transparenter, wodurch die Liquidität der nicht kotierten Fonds steigen dürfte. Der Nachteil, den sie gegenüber kotierten Fonds haben, wird so weitgehend verschwinden.

Der letzte Punkt – und dieser wirft heute die meisten Fragen auf – ist die Höhe des Agios der kotierten Fonds. In dieser Hinsicht sind die nicht kotierten Fonds eindeutig im Vorteil.


LC : Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache: Bei den kotierten Fonds lag das Agio im März 2021 bei durchschnittlich 35% und damit deutlich über dem historischen Durchschnitt von 15 bis 20%. Bei den nicht kotierten Fonds lag das durchschnittliche Agio zum selben Zeitpunkt bei knapp über 7%. Diese Differenz ist auf die grössere Liquidität  der  Anteile  kotierter  Fonds,  die

niedrigen Zinsen und den grossen Nachfrageüberhang zurückzuführen. Zudem investieren die Anleger nicht kotierter Fonds langfristig und führen ausser bei Umschichtungen oder bei einem Entscheid zu einem ausserordentlichen Ausstieg keine regelmässigen Transaktionen durch. Deshalb ist die Volatilität geringer.


BM : In der Regel bestimmt der Markt den Preis. An der Börse können die Anleger versucht sein, Anteile zu verkaufen, um sie anschliessend etwas günstiger wiederzukaufen, und umgekehrt. Im ausserbörslichen Handel versuchen die Anleger – aufgrund der fehlenden Liquidität – im Allgemeinen nicht zu spekulieren. Sie ziehen es vor, nicht zu kaufen bzw. nicht zu verkaufen, wenn sie keinen korrekten Preis finden. Dadurch fällt das Agio tiefer aus, insbesondere in Situationen wie heute, in denen die Nachfrage nach Immobilienfonds sehr hoch ist. Denn man darf nicht vergessen, dass ein hohes Agio dem bereits investierten Anleger zwar mehr Rendite bieten kann, aber auch den Fondsmanager zusätzlich unter Druck setzt. Und dieser Druck ist derzeit nicht unerheblich, gibt es doch nur sehr wenige renditeträchtige Immobilien auf dem Markt.
 

LC : Anders gesagt: Wenn der Fonds nicht an der Börse kotiert ist, ist dieser Druck geringer. Der Fondsmanager kann sich dann auf seine Arbeit konzentrieren, d. h. sein Portfolio aufwerten und – gestützt auf ein längerfristiges strategisches Konzept – für eine stabile und nachhaltige Rendite sorgen.

 

Und wer hat letzten Endes die Nase vor, die kotierten oder die nicht kotierten Fonds?


BM : Beide haben Vor- und Nachteile. Kotierte Fonds verfügen über mehr Liquidität und ein stärker diversifiziertes Angebot, sodass für die Privatanleger ein aktives Management möglich ist. Die Volatilität hingegen ist höher und die Agios haben mittlerweile ein sehr hohes Niveau erreicht.
 

LC : Und bei den nicht kotierten Fonds ist es umgekehrt: eine geringere Liquidität, kein repräsentativer Referenzindex, anhand dessen man die Performance des eigenen Fonds mit der Konkurrenz vergleichen kann, und ein kleineres Anlageuniversum mit weniger Vehikeln, das jedoch Investitionen in spezifische Segmente – Nischenstrategien – ermöglicht. Die Volatilität hingegen ist geringer, auch bei Börseneinbrüchen, wie im März 2020 zu beobachten war. Und die langfristige Performance ist stabiler, weil auch das Agio nicht stark schwankt.

 

Wie soll man sich also entscheiden?


LC : Die erste Frage, die sich ein Anleger stellen sollte, ist nicht, ob er in kotierte oder nicht kotierte Fonds investieren will, sondern welche strategische Allokation er bei Immobilien verfolgen möchte: Er muss sich zuerst entscheiden, ob er in direkte oder in indirekte Immobilienanlagen investieren möchte. Erst dann gilt es, den Anteil, der für indirekte Immobilienanlagen vorgesehen ist, auf kotierte und nicht kotierte Fonds aufzuteilen. Wie bereits erwähnt, haben die kotierten Fonds den Vorteil, dass sie liquider sind. Allerdings sind sie auch volatiler. Die nicht kotierten Fonds wiederum sind weniger volatil, aber auch weniger liquide. Was bei langfristigen Investitionen häufig von Vorteil ist. Später muss der Anleger unter Umständen seine Allokation an Ereignisse wie beispielsweise eine Kotierung anpassen. Kommt es zu einer Kotierung, muss er entscheiden, ob er seine Position verkaufen und seine Gewinne mitnehmen will oder ob er investiert bleibt und ab diesem Zeitpunkt eine höhere Volatilität in Kauf nimmt, weil er von der Strategie des neu kotierten Fonds überzeugt ist.

 

Für welche Fonds soll man sich also entscheiden, für kotierte oder für nicht kotierte?


LC : Bei der Konstruktion seines Portfolios muss der Anleger die Strategie des Fonds analysieren und beurteilen, wie die Qualität von dessen Management und Immobilienpark sowie sein langfristiges Potenzial ist. Erst dann – und nur wenn es mehrere Anlagemöglichkeiten gibt – muss der Anleger aufgrund seiner Anlagestrategie entscheiden, ob er in einen kotierten oder einen nicht kotierten Fonds investieren möchte. Dabei sollte er bedenken, dass nicht kotierte Fonds auch eine Möglichkeit sind, das Portfolio zu diversifizieren, da sie bisweilen spezialisierter sind als kotierte Fonds, welche ein breites Publikum ansprechen müssen.
 

BM : Wichtig zu wissen ist auch, welchen Anlagehorizont man hat und somit welche Liquidität man benötigt. Letzten Endes wäre es für einen Anleger nicht abwegig, einen Teil seiner Immobilieninvestitionen in liquideren, kotierten Fonds und einen anderen, strategischeren Teil in nicht kotierten Fonds zu halten.

 
 

Laure Carrard, CIIA, Geschäftsführerin

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Bruno Mathis, Verantwortlich Investor Services


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