Anstieg der Mieten beginnt erst

08/08/2023

Immoday

Olivier Toublan

4 Min

Eine höhere Nachfrage, ein stagnierendes Angebot, ein steigender hypothekarischer Referenzzinssatz – alle Zeichen stehen für die Mieter auf Rot, denn ihre Mieten werden sprunghaft steigen. Und dies ist nicht unbedingt eine gute Nachricht für die Vermieter. Sie werden sich mit Einsprachen von Mietern und Mietverbänden herumschlagen müssen.

 

Da der hypothekarische Referenzzinssatz gerade erst angehoben wurde, die Nachfrage nach Mietwohnungen steigt, das Angebot jedoch mangels Interesse der Investoren stagniert, stehen für die Mieter alle Zeichen auf Rot. 
 

Und das ist erst der Anfang, denn die derzeit zu beobachtenden Mietzinssteigerungen scheinen nur die Vorboten eines sich deutlich abzeichnenden Trends zu sein, der sich in den nächsten Monaten wohl noch verstärken wird, so man den Schlussfolgerungen einer von der Raiffeisen veröffentlichten Studie Glauben schenken darf. «Sämtliche Indikatoren zeugen von einem deutlichen Anstieg der Markttemperatur. Immer mehr Haushalte sind auf der Suche nach den rasch knapper werdenden Wohnungen. Entspannungszeichen sind nicht auszumachen, womit sich die Situation an diesem Markt weiter verschärfen wird.» 

 

Markt reagiert erst jetzt auf die Krisen von 2022
 

Der Immobilienmarkt reagiert bekanntermassen langsam, das ist eine seiner Eigenschaften. Erst jetzt würden sich die Auswirkungen der verschiedenen Krisen der letzten Monate zeigen – mit gegenläufigen Konsequenzen, je nachdem, ob man Mieter oder Vermieter ist, so die Experten der Raiffeisen. Während sich am Eigenheimmarkt durch den abrupten und deutlichen Zinsanstieg mittlerweile erste Anzeichen einer gewissen Marktabkühlung ausmachen lassen, hat der Wind am Mietwohnungsmarkt in die Gegenrichtung gedreht. Da die Nachfrage weiterhin wächst, steigen auch die Mieten. «Und da dieser zusätzliche Nachfrageschub genau in eine Phase relativ tiefer Wohnbautätigkeit fällt, schmelzen nun das Mietwohnungsangebot und damit die Leerstände schnell weg. In immer mehr Regionen werden Mietwohnungen nun sehr rasch knapp.»

 

Starker Rückgang verfügbarer Mietwohnungen
 

Die Anspannung am Mietwohnungsmarkt sei unbestritten, versichern die Experten der Raiffeisen. Die starke Verknappung des Angebotes zeige sich beispielsweise deutlich in der Zahl zur Vermietung ausgeschriebener Objekte auf den einschlägigen Immobilienportalen. Zu Beginn dieses Jahres betrug der Rückgang im Vergleich zum Vorjahresquartal 33%. Gleichzeitig verkürzt sich die Vermarktungsdauer. Sie liegt mittlerweile bei durchschnittlich 28 Tagen – in den letzten Jahren waren es noch ungefähr 35 Tage. Auch weitere Anzeichen deuten sowohl auf eine höhere Nachfrage als auch auf grössere Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche hin. «Alle hier genannten Indikatoren zeichnen damit das Bild eines Marktes, in dem die Nachfrage das Angebot deutlich übersteigt», analysieren die Experten der Raiffeisen.

 

Leider keine Besserung in Sicht
 

Und die Situation wird sich so schnell nicht ändern. «Weder von der Angebots- noch von der Nachfrageseite kann in nächster Zeit mit Entspannungsimpulsen gerechnet werden. Unsere robuste Wirtschaft dürfte auch in den kommenden Monaten weiterhin viele Menschen anziehen und somit das Bevölkerungswachstum hochhalten», erläutern die Experten der Raiffeisen. Zudem werden die Ukraine-Flüchtlinge aktiver am Wohnungsmarkt werden. «Die Zusatznachfrage nach Mietwohnungen wird damit weiterhin sehr stark bleiben.» 
 

Auch auf der Angebotsseite ist keine Entspannung absehbar. Der Rückgang der Baugesuche habe sich zwar stabilisiert, aber auf einem relativ tiefen Niveau, so die Raiffeisen. «Trotz sinkender Leerstände und bald deutlich steigender Mieten halten sich Investoren aber offensichtlich zurück und planen keine Ausweitung der Wohnbautätigkeit.» 

 

Finanzierungskosten lassen Investoren zögern
 

Wie lässt sich das mangelnde Interesse der Investoren erklären? Im Umfeld steigender Baupreise, erhöhter Finanzierungskosten, immer höherer administrativer Hürden und deutlich gestiegener Opportunitätskosten reichen die Anspannungszeichen, die sich erst verzögert in höheren Mieten niederschlagen, laut den Experten der Raiffeisen offenbar noch nicht, um die Attraktivität neuer Bauprojekte genügend zu steigern. «Aktuell weist vieles darauf hin, dass sich ohne Anpassung der regulatorischen Rahmenbedingungen an dieser Situation kurzfristig nichts ändern wird.» 

 

Angebotsknappheit verleiht Mieten weiteren Auftrieb
 

Kurzum, in dieser Situation sei davon auszugehen, dass der Aufwärtsdruck auf die Angebotsmieten zunehmen wird, versichern die Experten der Raiffeisen. «Bereits im ersten Quartal 2022 scheint die kritische Angebotsgrenze unterschritten worden zu sein. Seither steigen die Angebotsmieten nach ihrer längeren Talfahrt wieder an.» 
 

Gemäss den Statistiken des Bundes sind die Mieten seit Anfang 2022 im eidgenössischen Schnitt um fast 1,5% gestiegen. Und das sei erst den Anfang, so die Raiffeisen, für die «eine Beschleunigung der Preisdynamik angesichts der deutlichen Anspannungsanzeichen unmittelbar bevorsteht». Wer sich in nächster Zeit auf Wohnungssuche begeben müsse, habe neben markant zunehmender Konkurrenz also auch mit spürbar steigenden Anfangsmieten zu rechnen.

 

Mietzinssteigerungen auch für Bestandsmieter
 

Für die Bestandsmieter ist die Situation auch nicht besser. Die im Juni angekündigte Anhebung des hypothekarischen Referenzzinssatzes wird nicht die letzte sein. Es wird mit einer zweiten Erhöhung im Herbst und vielleicht sogar mit einer dritten Anfang 2024 gerechnet. Jede Erhöhung des Referenzzinssatzes über das in einem Mietverhältnis massgebende Niveau berechtigt Vermieter, den Mietzins um 3% zu erhöhen. Zusätzlich kann auch ein Teil (40%) der Teuerung auf die Mieterschaft überwälzt werden.  
 

Kurzum: Laut den Experten der Raiffeisen stehen viele Mieterinnen und Mieter damit schon sehr bald vor deutlich steigenden Wohnkosten. In einigen Fällen dürften sich die Mietzinserhöhungen auf mehr als 10% belaufen.
 

Ob die Vermieter, wie von den Mieterverbänden gefordert, auf systematische Mieterhöhungen verzichten und damit soziale Verantwortung zeigen, um die Kaufkraft der Haushalte zu schützen, ist eine andere Frage. Derzeit scheint dies jedoch wenig wahrscheinlich, denn obwohl einige Verwaltungen zur Vorsicht gemahnt hatten, haben die ersten Mieter bereits ihre Mietzinserhöhung erhalten. Asloca steigt auf die Barrikaden und prangert die Haltung einiger Eigentümer an, insbesondere der institutionellen – mit dem Versprechen, diese Erhöhungen wann immer möglich anzufechten.

 

Olivier Toublan, Immoday.ch