«Der Schweizer Immobilienmarkt ist dabei, sich zu stabilisieren»

10/10/2023

Olivier Toublan

Immoday

6 min

Nach einer 18-monatigen Talfahrt scheinen sich die Immobilienfonds wieder zu erholen. Die Agios stabilisieren sich. Aber die Pensionskassen, die immer noch über einen grossen Immobilienbestand verfügen, oft nahe an der gesetzlichen Grenze, bleiben zurückhaltend.

 

Die zweite Westschweizer Immobilienfonds-Tagung, die von IMvestir Partners SA organisiert wurde und Ende September stattgefunden hatte, bot die Gelegenheit zur Bestandsaufnahme des Marktes und der Immobilienfonds. Ein Markt, der sich nach schwierigen Zeiten infolge des im Sommer 2022 begonnenen starken Anstiegs der Zinssätze allmählich wieder stabilisiert. Hauptsächlich, weil die Nationalbank die stärkste und schnellste Erhöhung des Leitzinses seit Jahrzehnten – 250 Basispunkte in nur 15 Monaten – anscheinend fast abgeschlossen hat.

 

Der Fall der Agios scheint beendet

 

Wie wir wissen, hat der Anstieg die Situation für die Anleger völlig verändert. Dies hat eine einfache Erklärung. Sie können jetzt einige Monate lang Bargeld halten, bis sie eine gute Investitionsmöglichkeit finden. Bei negativen Zinssätzen war das unmöglich. Zu dieser Zeit hatten sie eigentlich nur eine schnelle Investitionsmöglichkeit, die eine dauerhafte Rentabilität sicherstellte: Immobilien. Dadurch erklären sich die Euphorie auf dem Markt und der Höhenflug der Prämien, die Mitte 2021 auf über 40 % stiegen.
 

Seitdem war der Einbruch bei den Agios stark: zum Ende des Sommers 2023 nur knapp über 8 %. Doch der Fall scheint beendet. Mehr noch, einige Experten versichern, dass Ende September 2023 ein neuer Gleichgewichtspunkt, mit wieder steigenden Agios, erreicht wurde.

 

Der historische Durchschnitt wird wahrscheinlich nie wieder erreicht

 

Betrachtet man die Situation in den letzten 12 Monaten, erkennt man, dass sich die Prämien tatsächlich bei durchschnittlich 13 % einpendeln. Auch wenn dies vom historischen Durchschnitt der letzten 30 Jahre, der bei 18 % lag, weit entfernt ist. Wie Ludovic Weiss von Realstone erklärt, war dieser historische Durchschnitt jedoch durch den seit 2014 zu beobachtenden Anstieg der Agios verzerrt, da die Negativzinsen die Attraktivität der Immobilienfonds künstlich erhöht hatten. Nimmt man diesen aussergewöhnlichen Zeitraum aus der Statistik heraus, ergibt sich ein historisches Agio um das aktuelle Niveau.
 

Dabei besteht weiterhin ein sehr grosser Unterschied zwischen Wohnfonds, deren Aufschlag um die 15 % liegt, und Gewerbefonds, deren durchschnittliches Agio seit fast einem Jahr negativ ist und bei etwa -7 % liegt.

 

Immobilien bleiben für Anleger attraktiv

 

Letztendlich bleiben Immobilien trotz der durch den Zinsanstieg verursachten Umwälzung für Anleger attraktiv, auch wenn sich der Rendite-Spread zu Anleihen stark verringert hat. Vor drei Jahren lag er noch bei 300 Punkten, heute nur noch bei 200. Im aktuellen inflationären Umfeld bieten Immobilienfonds in der Regel einen besseren Schutz als Anleihen.
 

Trotzdem zögern Anleger immer noch, sich erneut in grössere Immobilieninvestitionen zu stürzen.
 

Es ist ganz einfach ein Problem der Asset Allocation, meint Fabien Linke von Swiss Prime Site Solutions. Nach dem Rückgang der Aktien und Anleihen im vergangenen Jahr können die Pensionskassen keine Immobilien mehr kaufen. Sie bilden heute etwa 25 % ihrer Vermögenswerte, wobei wir daran erinnern möchten, dass die in der BVV2 festgelegte Grenze bei 30 % liegt.

 

Institutionelle Anleger warten die Korrektur ab, bevor sie wieder in den Immobilienmarkt einsteigen

 

Laut dem Experten investierten Pensionskassen in normalen Zeiten jährlich rund 15 Milliarden Franken in Immobilien. Heute ist dies nicht mehr der Fall und erklärt somit die derzeitige Anfälligkeit des Marktes. Aber das Geld ist da. Fabian Linke glaubt, dass, sobald die erwartete Korrektur eingetreten ist, die Pensionskassen schnell zurückkehren werden.
 

Bereits jetzt ist ein leichter Anstieg der durchschnittlichen Bruttorendite zu verzeichnen. Nach Angaben von Wüest Partner lag sie 2013 noch bei 4 %, bevor sie bis 2021 auf unter 3 % gesunken war. Heute liegt sie wieder knapp über der 3-Prozent-Marke. Dies ist im Übrigen für die Mehrheit der Anleger noch nicht ausreichend. Laut verschiedenen Umfragen werden für Wohnimmobilien in beliebten Kantonen wie Genf Bruttorenditen von ca. 3,5 % angestrebt.

 

Immer noch zu hohe Preise

 

Im Vergleich zu den Renditeerwartungen der Investoren sind die Preise also immer noch zu hoch. Doch die Eigentümer passen sie nur ungern an, bestätigt die Leiterin der Akquisitionsabteilung eines Investmentfonds. Dadurch ist ein ziemlich starker Rückgang des Volumens und der Anzahl der Transaktionen zu verzeichnen. In Genf beispielsweise, einem der wenigen Kantone, die in dieser Hinsicht transparent sind, gingen sie von 53 im ersten Quartal 2022 auf 31 im ersten Quartal 2023 zurück, wobei sich das Investitionsvolumen um die Hälfte verringerte.
 

Abgesehen davon erwartet die Mehrheit der Immobilienfachleute eine Preiskorrektur. Jedoch dürfte diese im Durchschnitt nicht sehr gross ausfallen. Höchstens ein paar Prozent. Das Bevölkerungswachstum in der Schweiz hält an, während das Immobilienangebot nicht mithalten kann, da die Finanzierungskosten für neue Projekte steigen und die gesetzlichen Auflagen immer strenger werden. Kurz, die Preise werden durch die rückläufigen Zahlen der Baubewilligungen gestützt.

 

Die Leerstandsquote sinkt und die Mieten steigen

 

Als Folge des fortbestehenden Ungleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage ist die Leerstandsquote, die in den Zeiten der Euphorie bis 2020 stark angestiegen war, wieder deutlich gesunken. Das wiederum treibt die Mietpreise in die Höhe.

Ein Anstieg, der im Übrigen durch den neuen Referenzzinssatz unterstützt werden wird. Nach einem ersten Anstieg um 25 Basispunkte im Juni erwarten die Experten in den nächsten Monaten weitere Anstiege des Referenzzinssatzes, der sich schliesslich bei 2 % stabilisieren sollte. Zur Erinnerung: Jede Steigerung um 25 Basispunkte führt zu einem durchschnittlichen Mietanstieg von 3 %. Zusammen mit der Inflationsindexierung schätzt die Raiffeisenbank, dass die Mieten bis zum Sommer 2024 im Durchschnitt um etwa 8 % steigen werden.
 

Kurz, so das Fazit des Realstone-Experten, mit sinkenden Transaktionspreisen, einem Fall der Leerstände bei Wohnimmobilien und einem deutlichen Mietenanstieg in der Zukunft, bieten sich konkrete Gelegenheiten und das Umfeld für eine schnelle Rückkehr der Investoren ist günstig.
 

Dennoch besteht eine Einschränkung, erinnert Fabian Linke. Der Immobilienmarkt ist komplexer geworden und erfordert nun ein wirklich aktives Management seitens der Investoren. Schon allein deshalb, weil sich viele Immobilien dem Ende ihres Lebenszyklus nähern und die ESG-Anforderungen steigen.

Olivier Toublan - Immoday.ch