«Bei einem so grossen Entwicklungsprojekt wie dem Flon ist nichts jemals wirklich abgeschlossen»

24/10/2023

Olivier Toublan

Immoday

4 min

Das der Mobimo-Gruppe gehörende Quartier du Flon in Lausanne ist ein gutes Beispiel für die Entwicklung eines ehemaligen Industriegebiets. Es erstreckt sich über eine Fläche von 55’000 m² und liegt im Herzen der Stadt. Ein Immobiliengeschäft, das aufgrund seiner Grösse, seiner Lage und seiner Geschichte in der Schweiz nahezu einzigartig ist. Heute kümmert sich ein Team von acht Personen um die tägliche Verwaltung. Hier ein kleiner geführter Rundgang.

 

Projekte zur Entwicklung ehemaliger Industriegebiete sind in der Schweiz keine Seltenheit. Doch das Quartier du Flon in Lausanne ist besonders interessant. 55’000 m² in Privatbesitz, mitten im Stadtzentrum, Eigentum von Mobimo. Eine Sanierung, die vor nunmehr 25 Jahren begann. Dies ermöglicht eine Analyse über einen längeren Zeitraum. Es beginnt mit dem Business Case für ein privates Quartier, das heute etwa 200 gewerbliche Mietverträge, 32 Wohnungen und 28 Bars und Restaurants umfasst.

 

Man muss Zeit haben, viel Zeit. Und Geduld

 

«Früher befanden sich hier ein Bahnhof und Lagerhäuser. Die Funktion der Lagerhäuser wurde nach und nach aufgegeben und das Quartier wurde zu einer Quasi-Industriebrache, die ein «Underground»-Leben beherbergte. In den 1980er Jahren wollte der Eigentümer, die LO-Gruppe, das Gebiet weiterentwickeln. Das war nicht ohne Schwierigkeiten, denn ein Projekt folgte dem anderen, bevor 1998 endlich ein Bebauungsplan von allen Partnern akzeptiert wurde. Genau vor 25 Jahren begann dann der Wandel im Flon-Quartier», fasst Hélène Demont, Kommunikationsverantwortliche für die Westschweiz bei Mobimo, zusammen. Ein Ort, der damals als verrufene Gegend der Waadtländer Hauptstadt galt und heute zu ihrem kulturellen und kommerziellen Herzen geworden ist, vielleicht sogar zum belebtesten Stadtquartier überhaupt.

 

Man muss finanziell gut abgesichert sein

 

Dieses Projekt hatte den Ehrgeiz, das Gelände komplett umzugestalten, mit einer Tiefgarage, einem Kino, Restaurants, Büros, Wohnungen und sogar einer neuen, öffentlichen Stadtpromenade. Natürlich erfordert ein solch ehrgeiziges Projekt erhebliche finanzielle Mittel, die langfristig eingesetzt werden müssen. Die Investitionen belaufen sich schnell auf einen zweistelligen Millionenbetrag. Somit erklärt sich teilweise, warum der historische Eigentümer des Quartiers, die LO-Gruppe, 2009 mit Mobimo fusionierte. Mobimo ist einer der grössten Immobilienkonzerne der Schweiz mit starken finanziellen Rückgraten, die für ein Projekt in einer Grössenordnung von etwas mehr als 500 Millionen Franken und einem jährlichen Mietwert von 28 Millionen Franken erforderlich sind.

 

Der Bebauungsplan muss flexibel sein

 

Wie Olivier Rambert, Entwicklungsleiter Westschweiz bei Mobimo, erklärt, ist die Gruppe in der glücklichen Lage, nicht nur den gesamten Grund und Boden sowie die Gebäude zu besitzen, sondern auch die Erdgeschosse und Untergeschosse. Sie werden ebenfalls entwickelt und vermarktet. Mit einem äusserst flexiblen Nutzungsplan gewähren sie dem Eigentümer viel Freiheit. So kann aus einem Restaurant eine Boutique werden, dann ein Hotel, dann Wohnungen, bevor es wieder zu einem Restaurant wird. Für Olivier Rambert ist diese Flexibilität, die natürlich die von der Stadtverwaltung von Lausanne vorgeschriebenen administrativen Auflagen für die Stadtentwicklung beachten muss, die Grundlage für den Erfolg des Quartiers.

 

Es braucht eine gute Mischung, um das Publikum anzuziehen

 

«Strategisch hat sich das Quartier eine wichtige Mischung bewahrt», erklärt Olivier Rambert. «Sie ist für das Gleichgewicht und die Attraktivität des Quartiers von entscheidender Bedeutung, damit sich Mieter, Kunden und Besucher auf der Durchreise im Quartier wohlfühlen können. Denn ohne Attraktivität gibt es keine Besucher, keine Dynamik im Quartier und somit auch keine Rentabilität für den Eigentümer. Man muss also ständig am Leben des Quartiers und an seinem Gleichgewicht arbeiten.» Eine Arbeit, die bislang erfolgreich war, denn heute werden laut Mobimo 7,5 Millionen Besucher pro Jahr gezählt. Damit ist es einer der meistbesuchten Orte in der Waadtländer Hauptstadt. Ein Erfolg, der übrigens auch seine Kehrseite hat, denn je mehr Menschen kommen, desto komplexer wird die Verwaltung der Verkehrsströme, der Abfälle und der Sicherheit.

 

Es braucht ein Verwaltungsteam vor Ort

 

Die tägliche Verwaltung wird vor Ort vom achtköpfigen, von Teodor Teodorescu geleiteten Quartiersmanagement sichergestellt. Ein Unternehmen der Mobimo-Gruppe, das u. a. den Hausmeisterdienst und die Strassenreinigung im gesamten Quartier verwaltet, hat das Facility Management übernommen.
 

Um die Sicherheit der Nutzer zu gewährleisten, beauftragte Mobimo eine private Sicherheitsfirma, die auf dem Gelände präsent ist und unter anderem den Ordnungsdienst während der abendlichen Feste am Wochenende stellt. Teodor Teodorescu erklärt: «Das Flon schläft nie, es ist ein Quartier, das rund um die Uhr betreut werden muss.»

 

Es bedarf einer klaren Strategie für die Zweckbestimmung von Gebäuden

 

Um seine Durchmischung zu gewährleisten, gliedert sich das Quartier in vier Zonen mit verschiedenem Ambiente, jede mit spezifischen Vermarktungszielen. Zunächst die Hauptstrasse, die am meisten frequentiert wird. Hier finden wir die grossen Marken wie Nespresso.
 

In der Parallelstrasse befinden sich kleinere Shops mit niedrigeren Mieten, unabhängige Geschäfte, lokale Marken, einige Kunstgalerien und Kunsthandwerkstätten.
 

Das Zentrum ist geprägt von Restaurants, Bars und Kultur mit Clubs und einem grossen Kino. Ausserdem gibt es unbebaute öffentliche Flächen, die laut Teodor Teodorescu unverzichtbar sind. Die Passanten sollen flanieren können und eine Bank zum Ausruhen finden, ohne sich unbedingt an einen Bistrotisch setzen zu müssen. Ganz am Ende schliesslich sind die Gemeindeverwaltungen untergebracht, aber auch ein Hotel und ein Coworking Space.

 

Man muss immer wieder neu ansetzen
 

Heute sind die Entwicklung und Renovierung des Quartiers fast am Ende angelangt, da etwa 80 % des Gebiets umgestaltet wurden. Doch wie Olivier Rambert bemerkt, ist ein Projekt dieser Grössenordnung niemals wirklich abgeschlossen. Das Quartier du Flon befindet sich in einem ständigen Wandel und ist endogenen und exogenen Faktoren unterworfen. Diese erzwingen eine Anpassung an die Bedürfnisse und Veränderungen der Gesellschaft. Beispielsweise haben sich die Problematiken der Mobilität oder der Nachhaltigkeit seit dem Bebauungsplan geändert. Nach der Renovierung der sogenannten «Zwillingsgebäude» sind noch einige Gewerbeflächen zu vermieten, es gibt Gebäude, deren Mietverträge auslaufen, weitere Renovierungen, dann die Ankunft der neuen Strassenbahn, dann ... Wie schon gesagt, bei einem solchen Projekt ist nichts jemals wirklich abgeschlossen.
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Olivier Toublan - Immoday.ch