Eine Immobilienkrise in den USA? Welche Krise?

02/10/2023

Immoday

Olivier Toublan

4 Min

In letzter Zeit hört man viel über die Immobilienkrise in den USA. Man darf jedoch nicht vergessen, dass sie hauptsächlich gewerbliche Immobilien betrifft. Die Wohnimmobilienpreise liegen ständig auf Rekordniveau. Auch wenn die Lage weiterhin instabil ist, wird es nach Ansicht der Experten keinen Crash geben.

 

Wir werden die Lage auf dem US-Immobilienmarkt nicht als euphorisch bezeichnen, aber sie ist dennoch nicht so dramatisch, wie manche glauben. Natürlich gibt es auf diesem riesigen Markt einige Regionen und Sektoren, die von dem starken Anstieg der Hypothekarzinsen besonders hart betroffen sind. Sie stiegen von 2,65 % Anfang 2021 auf heute fast 7,5 %. Das ist der höchste Stand seit Anfang der 2000er Jahre. Vor allem aber war dieser Anstieg noch nie so rasant.

 

Wohnimmobilien wieder im Aufwärtstrend

 

Dies ist insbesondere für diejenigen besorgniserregend, die nach zwei Jahrzehnten mit fallenden Zinssätzen Hypotheken mit variablen Zinssätzen bevorzugt hatten. Glücklicherweise betrifft dies nur eine Minderheit. Die Krise von 2008 hatte die meisten Hausbesitzer geimpft. Sie nehmen seitdem langfristige Kredite zu festen Zinssätzen auf (über 80 % der US-Kreditnehmer haben laut einigen Statistiken einen festen Zinssatz von unter 5 %). Somit werden sie durch die steigenden Hypothekarzinsen nicht finanziell stranguliert.

 

Dies erklärt auch, warum die Preise für Wohnimmobilien widerstandsfähig sind. Besser noch, im ersten Halbjahr 2023, stiegen sie sogar leicht an. Wenn die Preise nicht sinken, liegt es nach Ansicht von Ökonomen daran, dass das Angebot verschwindend gering ist, da die Hausbesitzer nicht bei sinkenden Preisen verkaufen wollen. Laut den von der National Association of American Real Estate Agents (NRA) veröffentlichten Statistiken beträgt der Preisunterschied zwischen dem gewünschten Preis der Verkäufer und dem Angebot der Käufer, derzeit etwa 10 %. 

 

Allerdings ist das alles relativ. Der durchschnittliche Hauspreis stieg langfristig gesehen stark an. Mit einem Anstieg von mehr als 35 % in den letzten vier Jahren ist er Ende September immer noch auf einem fast rekordverdächtigen Niveau. Vor diesem Hintergrund würde ein Rückgang des Durchschnittspreises um 10 % alles in allem nur dazu führen, dass wir wieder auf dem Niveau vom Januar 2022 landen.
 

Dabei sind natürlich die enormen geografischen Unterschiede in diesem riesigen Land zu bedenken. Es gibt Gegenden, in denen die Hauspreise tatsächlich sinken. In der Region um San Francisco beispielsweise, wo in den letzten 12 Monaten ein Rückgang von etwa 10 % registriert wurde. Aber auch hier waren die Preise in den letzten zwei Jahren in die Höhe geschnellt.

 

5 Gründe, warum Wohnimmobilienpreise nicht fallen werden

 

Zusammenfassend führen die US-Experten fünf Gründe an, warum Wohnimmobilien nicht einbrechen werden.

 

Erstens, der zum Verkauf stehende Häuserbestand ist extrem gering, da die Eigentümer, wie bereits erwähnt, nicht verkaufen wollen.

 

Zweitens, die Baubranche arbeitet auf Hochtouren. Da es schwierig ist, Altbauten zu kaufen, bauen diejenigen, die Eigentümer werden wollen, neue Häuser. Jedoch kann das Angebot die Nachfrage nicht decken. 

 

Drittens, das Bevölkerungswachstum bringt jeden Tag neue potenzielle Käufer auf den Markt. Die Nachfrage nach Wohnhäusern bleibt hoch. Nicht zu vergessen, dass viele Hausbesitzer aufgrund der anhaltenden Arbeit von zu Hause gerne grösser und grüner kaufen würden. 
 

Viertens, seit dem Immobiliencrash von 2008 haben die Banken ihre Lektion gelernt. Sie sind bei der Vergabe von Hypothekarkrediten viel strenger geworden. 
 

Und fünftens, die derzeitigen Hausbesitzer haben genügend finanzielle Reserven, um sich im Falle eines schweren Schicksalsschlags zu schützen. Während der Krise von 2008 war dies nicht der Fall. Die Anzahl der Kreditausfälle in den letzten Monaten ist nach wie vor niedrig.

 

Die Gewerbeimmobilie hingegen bricht ein

 

Im Bereich der Gewerbeimmobilien sieht es natürlich ganz anders aus. Schuld daran sind laut Experten das Coronavirus und die Verbreitung von Telearbeit. Mit äusserst konkreten Folgen, wie eine durchschnittliche, heute bei über 16 % liegende Leerstandsquote, und ein Büroimmobilienpreis, der seit März 2022 um 16 % gesunken ist, zeigt.

Nach einem starken Anstieg der Gewerbeimmobilienpreise in den letzten 15 Jahren, müssen die Zahlen in die richtige Perspektive gesetzt werden. Die Preise hatten sich im Vergleich zu 2009 mehr als verdoppelt. Trotz des Rückgangs in den letzten Monaten sind sie immer noch auf dem Niveau von Mai 2020, dem Beginn der Covid-Pandemie.

 

Die Zukunft sieht jedoch düster aus. Wie Forscher der New York University bekanntgaben, was in der Zeitung «Le Monde» zitiert wurde, hat die Telearbeit zu einem erheblichen Rückgang der Mieteinnahmen, der Belegungsquote, der Verlängerungsraten von Mietverträgen und der Marktmieten im gewerblichen Bürosektor geführt. 

 

Dabei gibt es hier wie in der Schweiz einen enormen Unterschied zwischen den mehr oder weniger beliebten Quartieren und dem Alter der Gebäude. Bei den ältesten, energieintensivsten und am wenigsten grünen Gebäuden soll der langfristige Wert laut einigen Untersuchungen um mehr als 40 % gesunken sein.
 

Sinkende Zinssätze sind nicht in Sicht

 

Ende September erhielten optimistische Beobachter, die auf eine baldige Zinssenkung zur Belebung des Marktes gesetzt hatten, eine kalte Dusche. Zwar kündigte die Fed ein baldiges Ende der Leitzinserhöhung an, was eine gute Nachricht ist, doch deutete sie ebenfalls an, dass diese Zinsen zumindest bis Ende 2024 nicht unter 5 % sinken werden. Das ist eine sehr schlechte Nachricht für den Immobiliensektor. Somit werden die Hypothekarzinsen gleichzeitig historisch hoch bleiben. 
 

Auch wenn die Zinssenkung der Fed nicht morgen stattfindet, wird es wahrscheinlich übermorgen sein. Das glauben zumindest die Märkte, die immer noch von einer leichten Rezession ausgehen, welche die Zentralbank dazu zwingen dürfte, ihre Haltung zu überdenken. Dies lässt sich aus der Zinsumkehr ableiten, die nun schon seit mehreren Monaten anhält (Ende September lagen die kurzfristigen Zinssätze bei fast 5 %, die langfristigen bei etwas über 4 %). Ein Rückgang, der mechanisch den Immobilienmarkt entlasten und Hausbesitzern Luft zum Atmen geben sollte.
 

Olivier Toublan - Immoday.ch