Jean-Yves Rebord, Partner in der Anwaltskanzlei Python: «Durch die Einführung des L-QIF wurden zahlreiche Anlagebeschränkungen, die die Entwicklung traditioneller Anlagevehikel bremsten, aufgehoben.»

05/03/2024

Olivier Toublan

Immoday

5 min

Auf dem Papier eröffnen L-QIF dem Immobiliensektor viele neue Möglichkeiten. Dazu gehören spezialisiertere Strategien, bei denen die Portfolios weniger diversifiziert sein müssen, der Kauf spezieller Immobilienwerte und neue Finanzierungsmöglichkeiten für Immobilienprojekte. Tatsächlich könnte sich der Weg zum Erfolg für diese neuen Anlagevehikel etwas holpriger gestalten als erwartet, da der Gesetzgeber nicht alle Hindernisse beseitigt hat – besonders in steuerlicher Hinsicht. 

 

Im Bereich der indirekten Immobilienanlagen sind Limited Qualified Investor Funds, die sogenannten L-QIF, derzeit in aller Munde. Diese neue Art von Fonds, die in der Schweiz am 1. März eingeführt wurde, lehnt sich an den luxemburgischen Reserved Alternative Investment Fund (RAIF) an, der dort ein voller Erfolg ist. Der Schweizer Finanzplatz hofft, dass sich diese Erfolgsgeschichte in der Schweiz wiederholt. So einfach ist das jedoch nicht, insbesondere im Immobiliensektor, erklärt Jean-Yves Rebord, Partner in der Anwaltskanzlei Python und einer der führenden Rechtsexperten für indirekte Immobilienanlagen. 
 

Herr Rebord, endlich wurde der L-QIF in der Schweiz eingeführt. Die Branche hat dieses Anlagevehikel mit Spannung erwartet, oder?


Absolut, allerdings weniger den L-QIF als solchen, sondern vielmehr die mit ihm verbundenen liberaleren Anlagevorschriften.
 

Können Sie uns ein wenig über die Entstehung des L-QIF erzählen?


Den Weg dafür bereitete Luxemburg mit dem RAIF, einer kollektiven Kapitalanlage, die keiner Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde bedarf. Der RAIF verzeichnete dort ab Mitte der 2010er-Jahre einen phänomenalen Erfolg. Jedes Jahr wurden mehrere Hundert RAIF aufgelegt, bis gewisse Anbieter an ihre Grenzen stiessen.
 

Und wie sieht es in der Schweiz aus?


Die Schweiz hat diese Entwicklung aufmerksam verfolgt. 2019 ging ein erster Vorentwurf in die Vernehmlassung und am 1. März 2024 wurde der L-QIF schliesslich in der Schweiz eingeführt. Allerdings im Vergleich zum ursprünglichen Vorentwurf in deutlich abgeänderter Form, was einen Teil der Branche frustriert. 
 

Was meinen Sie damit? 


Der L-QIF ist schlussendlich nicht so liberal ausgestaltet wie ursprünglich angedacht. Da ist noch Luft nach oben. 
 

Was war der Grund dafür?


Als es um die Ausarbeitung der Gesetzesvorlage ging, wurden einige politische Stimmen laut, die offen sagten, die Schweiz wolle sich nicht als allzu attraktiver Finanzplatz positionieren. Diese Produkte sind mit erhöhten Risiken verbunden. Dass sie keiner Aufsicht unterliegen, ist das eine. Allerdings könnte dies auch ein Reputationsrisiko für den Finanzplatz Schweiz bergen. Das gilt es zu berücksichtigen. Auch die steuerliche Umsetzung ist nicht optimal. So wird auf Ausschüttungen des L-QIF nämlich die Verrechnungssteuer erhoben. Für Anleger, die luxemburgische RAIF oder vergleichbare Anlagevehikel aus Ländern wie Irland gewohnt sind, wo eine derartige Steuer nicht anfällt, dürfte dies eine Hemmschwelle sein. 
 

Das verheisst nichts Gutes für die Schweizer L-QIF. Warum sollte man sich für einen L-QIF entscheiden, wenn in Luxemburg ein vergleichbares Produkt existiert, das mehr Freiheiten bietet und noch dazu steuerlich günstiger ist?


Swissness hat immer einen gewissen Stellenwert am Markt, besonders wenn man Schweizer Anleger ansprechen möchte wie Pensionskassen, die häufig Schweizer Anlagevehikel bevorzugen, oder Schweizer Depotbanken und Schweizer Vermögensverwalter. Der Schweiz könnte auch zugutekommen, dass der luxemburgische Markt bereits gesättigt ist. Wie ich bereits erwähnt habe, stossen dort gewisse Anbieter an ihre Grenzen und sind sehr teuer geworden. 
 

Reicht das für die Schweiz, um auf diesem Markt Fuss zu fassen? 


Sagen wir es mal so, in der jetzigen Situation wird die Schweiz sich nicht zur Hauptkonkurrentin von Luxemburg entwickeln, zumindest nicht was die Rahmenbedingungen betrifft. 
 

Wie wirkt sich der L-QIF auf den Immobilienmarkt aus?


Der Gesetzgeber hat lange gezögert, ob Immobilienanlagen im Rahmen eines L-QIF möglich sein sollen – in erster Linie aus steuerlichen Gründen. Daher wurden schlussendlich mehrere Stolpersteine nicht aus dem Weg geräumt, ohne die Immobilien-L-QIF einfacher lanciert werden könnten.
 

Könnten Sie uns ein Beispiel geben?


Es gab beispielsweise keine Zugeständnisse hinsichtlich der Handänderungssteuer, wenn eine Immobilie in einen L-QIF übertragen wird. Das bleibt ein wesentlicher Hemmfaktor. Wenn ein bestehender Immobilienpark umstrukturiert werden soll und sich die wirtschaftlich Berechtigten der Immobilien nicht ändern, muss die Handänderungssteuer nämlich trotzdem entrichtet werden – zumindest in den Kantonen, die eine solche Steuer erheben.
 

Das heisst, bestehende Immobilienvehikel werden nicht in L-QIF umgewandelt, da dies aufgrund der Handänderungssteuer zu teuer wäre. 


Hätte man L-QIF gänzlich für den Immobiliensektor öffnen wollen, hätte man die Gesetzgebung zur Handänderungssteuer lockern oder diese Steuer ganz abschaffen müssen. Sie beläuft sich auf rund 3 % des Immobilienwerts, was bei grossen Immobilienparks schnell ins Gewicht fällt. 
 

Inwiefern sind L-QIF dann für den Immobiliensektor interessant?


Zunächst einmal fallen die mit bewilligten kollektiven Kapitalanlagen verbundenen Anlagebeschränkungen weg. Ausserdem wurde die Obergrenze für die Fremdfinanzierungsquote für L-QIF auf 50% angehoben. Bei herkömmlichen Fonds liegt sie bei 33%. Hinzu kommt, dass bei L-QIF Geschäfte mit nahestehenden Personen zulässig sind. Bei herkömmlichen Fonds ist dies grundsätzlich untersagt. 
 

Was ändert sich im Hinblick auf zulässige Anlagen?


Die Anlagevorschriften sind beim L-QIF liberaler ausgestaltet, um die Entwicklung neuer Produkte zu fördern. So dürfen offene L-QIF in unbebaute und nicht erschlossene Grundstücke ohne Baubewilligung investieren. Ausserdem sind auch eine Reihe von prozentualen Obergrenzen weggefallen, z. B. in Bezug auf Baurechtsgrundstücke, Stockwerkeigentum und Gebäude mit Renovierungsbedarf, durch die bei bewilligten Fonds bestimmte Formen des Eigentumsbesitzes eingeschränkt werden. 
 

Luxemburg zählt derzeit über 250 Immobilien-RAIF. Glauben Sie, dass L-QIF in der Schweiz auch auf einen derartigen Anklang stossen?


Meiner Meinung nach ist das Potenzial in der Schweiz nicht so gross. Zunächst einmal bleiben L-QIF mit direktem Grundbesitz – auch wenn es sich dabei nur um ein einziges Gebäude handelt – privaten Anlegern verwehrt. Das ist ein wichtiger Unterschied zum RAIF. Dadurch wird die Zahl potenzieller Anleger stark eingeschränkt. 
 

Warum diese Einschränkung?


In erster Linie aus steuerlichen Gründen. Der Gesetzgeber hatte die Befürchtung, gewisse Privatpersonen könnten versuchen, ihre Steuern zu optimieren, indem sie, statt direkt in Renditeliegenschaften zu investieren, einen L-QIF einsetzen. 
 

Und was ist mit den institutionellen Anlegern, die die grössten Immobilieninvestoren in der Schweiz darstellen?

 
Diese profitieren bei bewilligten Fonds bereits von erheblichen Erleichterungen. Den Pensionskassen stehen ausserdem die Anlagestiftungen offen, die im Immobilienbereich ebenfalls eine hohe Flexibilität ermöglichen. Für institutionelle Anleger sind der mit einer Bewilligung verbundene Zeit- und Kostenaufwand weniger ausschlaggebend als für private Anleger. Ich bezweifle daher, dass L-QIF die institutionelle Anlegerschaft am Schweizer Markt für indirekte Immobilienanlagen in den nächsten zehn Jahren aufmischen werden. 
 

Gibt es bestimmte Bereiche, in denen L-QIF einen echten Vorteil bieten?


Bei Projekten mit sehr spezifischen Anlagestrategien, z. B. bei Renovationen, Immobilien im Ausland, Immobilien-Leibrenten, Baurechtsgrundstücken oder bestimmten Themen wie Gesundheit, Seniorenheimen oder Hotellerie. Diese Projekte taten sich bisher schwer damit, alle Anforderungen zu erfüllen, um die erforderlichen Bewilligungen zu erhalten. Bei L-QIF fällt dies weg, sodass diese Art von Projekt viel einfacher umgesetzt werden kann. Da L-QIF ausserdem schneller und günstiger aufgelegt werden können, bringen sie auch einen nicht zu vernachlässigenden Zeitgewinn mit sich. 
 

Das Stichwort L-QIF fällt auch immer wieder im Zusammenhang mit Immobilienentwicklungsprojekten.


In der Tat. Bei Projekten mit mehreren Immobiliengruppen kann sich der L-QIF für gross angelegte Geschäfte als Anlagevehikel anbieten. Dadurch könnten sich neue Finanzierungsquellen erschliessen und auch die Gewinnbesteuerung ist attraktiv. 
 

Wäre das ohne L-QIF nicht möglich?


Es ist nicht einfach. Einerseits, weil die Bewilligungen viel Zeit in Anspruch nehmen, und andererseits, weil es aus Gründen der Risikoverteilung nahezu unmöglich ist, bei einem Grossprojekt mit einem traditionellen Immobilienvehikel zu arbeiten. Ganz zu schweigen von den Einschränkungen, die für Geschäfte mit nahestehenden Personen gelten. Mit einem L-QIF stellt das kein Problem dar. Ausserdem wurden beim L-QIF die Vorschriften bezüglich der Rücknahme der Fondsanteile zum NIW gelockert. Während bei herkömmlichen Fonds die Anteile alle 12 bzw. 24 Monate zurückgenommen werden müssen, kann das Recht auf Rückgabe beim L-QIF bis zu fünf Jahre ausgesetzt werden. Dies dürfte normalerweise ausreichen, um ein Immobilienprojekt abzuschliessen.
 

Wie hoch muss das Mindestvermögen eines Immobilien-L-QIF sein?


Der Gesetzgeber schreibt – wie bei allen offenen L-QIF – 5 Millionen Franken vor. Im Immobilienbereich ist das kein Thema. Die Frage ist eher, ab welcher Grösse ein L-QIF wirtschaftlich sinnvoll ist. Ein Immobilienfonds oder eine Immobilien-SICAV beispielsweise ist, je nach Art der Vermögenswerte, mit einem Vermögen unter 100 bis 150 Millionen Franken derzeit finanziell kaum tragbar. Der Markt wird es zeigen. 
 

Wer kann einen L-QIF auflegen?


L-QIF in der Rechtsform einer SICAV oder eines vertraglichen Anlagefonds können nur von einer Fondsleitung aufgelegt werden. Verwalter von Kollektivvermögen können L-QIF in Form einer KmGK aufsetzen. Dabei handelt es sich um relativ geschlossene Fonds mit begrenzter Laufzeit.
 

Von wie vielen Akteuren sprechen wir hier? 


Derzeit gibt es in der Schweiz rund 40 Fondsleitungsgesellschaften und knapp 300 bewilligte Verwalter von Kollektivvermögen. Sie alle könnten jeweils mehrere L-QIF auflegen, solange sie die damit verbundenen Risiken managen können. Denn auch wenn ein L-QIF selbst nicht der Aufsicht der FINMA untersteht, so werden doch die Institute, die die L-QIF verwalten, von der FINMA beaufsichtigt. Diese kann also bei allfälligen Problemen einschreiten. 
 

Welche Vorteile bringt der L-QIF aus Anlegersicht?


Die Anleger haben dank L-QIF Zugang zu Anlagevehikeln mit einer viel spezialisierteren Anlagestrategie, die dadurch auch besser auf spezifische oder punktuelle Bedürfnisse ausgerichtet sind. 
 

Für die Auflegung eines L-QIF ist ja keine Bewilligung der FINMA nötig. Ist das Risiko für Anleger somit höher? 


Es ist zunächst einmal wichtig, zu verstehen, dass mit dem L-QIF keine neue Rechtsform geschaffen wird, sondern dass damit lediglich einige Anlagevorschriften für bereits bestehende Rechtsformen gelockert werden. Die Funktionsstruktur bleibt jedoch gleich. Bei einem Immobilien-L-QIF beispielsweise gehören dazu die Ermittlung des Inventarwerts durch unabhängige Immobilienexperten, eine jährliche Rechnungsprüfung durch unabhängige Prüfer, die Aufsicht durch die Depotbank und die Kontrolle der Fondsleitung. In aufsichtsrechtlicher Hinsicht sind L-QIF somit recht solide. Kein Vergleich zu einfachen Immobiliengesellschaften. Hinzu kommt, dass sich L-QIF ausschliesslich an qualifizierte Anleger richten. 
 

L-QIF sind seit dem 1. März in der Schweiz zugelassen. Werden bereits konkrete Projekte umgesetzt?


Derzeit sind es noch Projektansätze, insbesondere im Immobilienbereich, da man bis zuletzt nicht sicher war, ob Immobilienanlagen im Rahmen von L-QIF möglich sein würden. In jedem Fall wird es ein bisschen Zeit in Anspruch nehmen, da die Fondsleitungsgesellschaften und die bewilligten Verwalter von Kollektivvermögen zunächst ihre internen Vorschriften ändern müssen, um Immobilien-L-QIF zu lancieren. Und da hat die FINMA ein Wörtchen mitzureden. Man weiss noch nicht, wie lange es dauern wird, bis sie die ersten Bewilligungen erteilt. Im aufsichtsrechtlichen Bereich Pionierarbeit zu leisten, ist auch für die grossen Akteure keine leichte Aufgabe. 
 

Olivier Toublan - Immoday.ch