Wann kommt der virtuelle Immobilienfonds?

24/10/2022

Olivier Toublan

Immoday

4 Min

 

Die Metaversen sind da – und mit ihnen neue Geschäftsfelder. Und die Möglichkeit, in virtuelle Immobilien zu investieren. Mit zum Teil enormen Wertzuwächsen. Weshalb man sich fragen darf: Lohnt es sich, auf solche virtuelle Immobilien zu setzen? Die Antwort ist einfach: Es ist angesichts der erschreckend hohen Volatilität noch immer sehr, sehr riskant. Und nur etwas für hartgesottene Spekulanten.

 

Die virtuellen Welten, die eine rosige Zukunft vor sich haben, wenn man den Darstellungen von Meta, ehemals Facebook, glaubt, besitzen ihre eigene Währung, eigene Geschäfte, eigene Marketingmassnahmen und sogar eigenes Immobilienvermögen, seien es Grundstücke oder Gebäude. Aber sie haben auch, wie jede liberale Wirtschaft, ihre Probleme mit der Inflation und volatilen Vermögenswerten.
 

In ihrem letzten Bericht über den Schweizer Immobilienmarkt haben sich die Ökonomen der Raiffeisenbank den Spass gemacht, den Immobilienmarkt dieser Metaversen zu analysieren, wobei sie dieselben Instrumente wie bei einem realen Immobilienmarkt zugrunde gelegt haben. Was übrigens nicht abwegig ist, denn es haben bereits mehrere private oder professionelle Investoren auf diesen virtuellen Märkten ihr Glück versucht. Die Medien haben in den letzten Monaten häufig über die beträchtlichen Summen berichtet, die für bestimmte Grundstücke in den Metaversen erzielt wurden. Dass solche Investitionen in den letzten Wochen häufig scheiterten, davon hörte man wenig.
 

Und so kommen die Ökonomen von Raiffeisen zu folgendem Schluss: «Virtuelle Immobilien bleiben wegen der extremen Volatilität, der offensichtlichen Tendenz zur Blasenbildung und der fragwürdigen Absichten vieler Bieter eine Spielwiese für Spekulanten mit Freude am Risiko.» Aber sehen wir uns das alles aus der Nähe an.

 

Virtuelle Vermögenswerte haben sich ihren Platz an der Sonne verdient  
 

Weil Kryptowährungen seit einigen Jahren immer beliebter werden, wissen alle Anleger, dass digitale Vermögenswerte mittlerweile eine wichtige Anlageklasse sind. Sie ist zwar riskant, aber attraktiv für Menschen, die den Nervenkitzel suchen. Überdies beschränken sich diese Anlagen seit einigen Monaten nicht mehr auf Kryptowährungen, sondern umfassen eine ganze Reihe von virtuellen Vermögenswerten wie NTFs (Non-Fungible Token), die häufig in Form von digitalen Kunstwerken, Originalfotos oder -videos bestehen.

Mit dem Aufkommen der Metaversen kann man nun auch virtuelle Immobilien erwerben, seien es Grundstücke oder Gebäude. Und wie im realen Leben werden diese Grundstücke häufig für kommerzielle Zwecke genutzt, indem Unternehmen dort Begegnungsstätten einrichten, um ihre Produkte zu verkaufen. «Käufer, die in virtuelle Immobilien investieren, beabsichtigen also im Prinzip das Gleiche wie mit einer Immobilie in der realen Welt. Diese soll Renditen erwirtschaften und im Idealfall später mit Gewinn verkauft werden», fassen die Ökonomen von Raiffeisen zusammen.

 

Wie im wirklichen Leben bestimmt die Lage den Wert  
 

Da es sich bei Metaversen um liberale Volkswirtschaften handelt, bestimmen auch hier Angebot und Nachfrage den Grundstückswert. «Je attraktiver eine Parzelle des digitalen Grundstücks ist, desto mehr zahlt man dafür. In einem Metaversum hängt die relative Attraktivität der verschiedenen Grundstücke stark von der Ansiedlung von Nutzern in der Nähe ab. Je mehr Spieler es durchschnittlich in der Nähe des eigenen Grundstücks gibt, desto grösser ist die Möglichkeit, theoretisch mit der Parzelle Einkommen zu generieren, was wiederum einen höheren Preis rechtfertigt.» Es ist also genau wie im wirklichen Leben, wo die Lage zu einem grossen Teil den Preis für ein Grundstück oder eine Gewerbeimmobilie bestimmt. «Als besonders gut gelegen gelten Grundstücke, die sich in der Nähe des Zugangsortes des Spiels oder in Regionen befinden, in denen es bereits andere Spielinhalte und interessante Angebote gibt.»
 

Das grosse Problem für Investoren ist, dass das Angebot an virtuellen Grundstücken im Gegensatz zum realen Leben grundsätzlich unbegrenzt ist. Einerseits lässt sich die Fläche eines Metaversums mit wenigen Klicks ohne Kosten vergrössern, andererseits entstehen ständig neue Metaversen. Der Wert einer virtuellen Immobilie kann daher sehr schnell zusammenbrechen, wenn das Angebot plötzlich steigt oder ein anderes Spielfeld beliebter wird. Was auch gerade passiert ist.

 

Blasen von bisher ungekannter Tragweite  
 

Das enorme Interesse an Kryptovermögen durch Spekulanten, die gern hoch riskante Einsätze machen, hatte zu einer Blase geführt. «Da wurden astronomische Summen, manchmal in zweistelliger Millionenhöhe, für digitale Kunstwerke und virtuelle Immobilien gezahlt.» Nur ein Beispiel, das Raiffeisen anbringt: Anfang 2021 kostete das durchschnittliche Stück Land in «The Sandbox», einem beliebten Metaversum, unter 150 Dollar. Ende Oktober war der Preis schon auf 2'500 Dollar gestiegen. Und Ende 2021 musste man über 16'000 Dollar zahlen! Eine bescheidene Wertsteigerung von fast 11'000 % in weniger als einem Jahr! Da ist nur verständlich, dass einige Spekulanten in Versuchung geraten waren.
 

Doch das Fest dauerte nicht lange: Ende Juni 2022 waren die Preise wieder auf rund 2'500 Dollar gefallen! Das war zwar immer noch eine Steigerung von über 1500 % für die ersten Investoren, aber ein Sturz von fast 85 % für die, die zuletzt eingestiegen waren. Und das innerhalb weniger Wochen! Vor allem aber ist dieses Beispiel kein Einzelfall, denn wie die Ökonomen von Raiffeisen bestätigen, gab es seit Anfang 2022 zahlreiche geplatzte Immobilienblasen in den Metaversen.

 

Viel riskanter als traditionelle Immobilien  
 

Wie kommt es zu solchen Blasen? Weil die meisten dieser Metaversen noch immer nur Versprechungen sind.  «Der Käufer spekuliert nicht nur auf kurzfristig steigende Preise, sondern setzt vor allem darauf, dass in der Zukunft tatsächlich ein Produkt geschaffen wird, das auch Spieler und andere Investoren anzieht.» Das Ganze ist also eher mit einer Investition in ein Start-up in der «very early stage» vergleichbar als mit einer traditionellen, stabilen und vorhersehbaren Immobilienanlage.
 

Es ist also durchaus möglich, dass einige Metaversen morgen zu echten digitalen Welten werden, die Millionen von Menschen anziehen, die die Grundlage für eine stabile virtuelle Wirtschaft bilden, aber, wie die Ökonomen von Raiffeisen treffend formulieren, «es ist heute völlig unmöglich zu beurteilen, welche das sein werden. Wer das Glück hat, viel auf das richtige Pferd zu setzen, kann damit grosse Gewinne erzielen. Aber die Wahrscheinlichkeit, in ein Projekt ohne Zukunft zu investieren, ist wesentlich höher». Mit der Gefahr, seine gesamte Investition zu verlieren – schliesslich handelt es sich hier um einen virtuellen Vermögenswert.
 

Olivier Toublan, Immoday