Mit der Erhöhung des Referenzzinssatzes stehen dem Immobiliensektor schwierige Monate bevor

26/06/2023

Immoday

Olivier Toublan

5 min

Berücksichtigt man den Referenzzinssatz, die Teuerung und den allgemeinen Anstieg der Kosten, können die Mieter mit einem Mietanstieg um 6 bis 7% rechnen – und bis 2025 von bis zu 20%. Die Mieterverbände wetzen bereits ihre Waffen gegen die Vermieter. Und die SNB befindet sich in einer absurden Situation.


Am Donnerstag, 1. Juni 2023, wurde der auf Mietverträge anwendbare Referenzzinssatz laut Bundesamt für Wohnungswesen (BWO) von 1,25% auf 1,5%, d. h. um 0,25 Prozentpunkte, erhöht. 

Mit dieser Anhebung wurde gerechnet, sie kommt also nicht überraschend. Nach dem Anstieg der Hypothekarzinsen, dem Rückgang der Angebote, der Abkühlung der Bautätigkeit und der beginnenden Preiskontraktion ist dies jedoch eine weitere schlechte Nachricht für den gesamten Schweizer Immobiliensektor.
 

Drei Erhöhungen bis 2025?


Technisch gesehen wird es diese Erhöhung des Referenzzinssatzes – die erste seit 2008 – den Vermietern ermöglichen, ihre Miete um 3% anzuheben. Dadurch wird sich das Image der Vermieter nicht verbessern, steigen die Mieten doch seit einigen Monaten wieder. Ausserdem wird diese Anhebung zahlreiche Einsprachen der Mieter und der Mieterverbände zur Folge haben. Kurzum: Die nächsten Monate dürften von Auseinandersetzungen geprägt sein.

Dies umso mehr, als diese Anhebung nur ein erster Schritt ist. Mittelfristig, d. h. diesen Winter, wird es laut dem Direktor des BWO, Martin Tschirren, wahrscheinlich zu einer weiteren Erhöhung um 0,25% kommen. Längerfristig, also bis 2025, könnte der Referenzzinssatz zahlreichen Beobachtern zufolge auf bis zu 2% steigen. Dies würde bedeuten, dass die Mieten um mindestens 10% bis fast um 20% anziehen könnten, falls sich das wirtschaftliche Umfeld – wie die Inflation – nicht verbessert. 
 

Warnungen des Bundesamtes für Wohnungswesen


Vor diesem Hintergrund hat die Asloca ihren Mitgliedern bereits geraten, wachsam zu bleiben, und daran erinnert, dass der Referenzzinssatz seit 2009 neunmal gesunken ist. «Diese Senkungen hätten zu Mietzinsreduktionen führen sollen. Die Referenzzinssatzerhöhung vom 1. Juni 2023 bedeutet also nicht, dass alle Mieten erhöht werden. Falls Ihnen eine Mietzinsanhebung angekündigt wurde, ist es wichtig, diese zu kontrollieren.» 

Denn obwohl die Vermieter nun das Recht hätten, die Mieten anzuheben, sei eine Erhöhung nur möglich, wenn die aktuelle Miete auf dem alten Referenzzinssatz von 1,25% beruhe, so das BWO. 

Gemäss einer Studie von Wüest Partner ist dies nur bei etwa 50% der laufenden Verträge in der gesamten Schweiz der Fall. Martin Tschirren bestätigt diese Zahl. Dies bedeute, dass mehr als eine Million Haushalte in der Schweiz von einer Mietzinserhöhung betroffen sein könnte, rechnet Manuel Rentsch vom SRF vor.

Demgegenüber sei eine Million Haushalte normalerweise nicht betroffen, nämlich all jene, deren Miete auf einem älteren Satz basiere, der höher ist als der aktuelle. In bestimmten Fällen könne der Mieter sogar immer noch eine Mietzinssenkung verlangen, obwohl der Referenzzinssatz gestiegen sei, so das BWO weiter.
 

Mietzinssteigerungen von 6% bis 7%, wenn alles berücksichtigt wird 


Das Problem ist, dass auch andere Faktoren eine Rolle spielen. Nach geltendem Recht, so erinnert der SVIT, könnten 40% der Teuerung sowie höhere Unterhalts- und Betriebskosten als Begründung für eine Mietzinserhöhung angeführt werden.

Mehreren Branchenexperten zufolge können Mieter unter Berücksichtigung der Erhöhung des Referenzzinssatzes, der Teuerung und des allgemeinen Kostenanstiegs mit einer Anhebung der Mieten um 6 bis 7% rechnen, wenn ihr Vertrag auf einem Referenzzinssatz von 1,25% basiert. 

Das ist beträchtlich. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass die Anwälte von Mieterverbänden schon jetzt ihre Waffen gegen die Eigentümer wetzen – dies umso mehr, als Asloca zufolge die Mietzinssenkungen, die in den letzten Jahren hätten erfolgen sollen, nur in 30% der Fälle auch tatsächlich stattgefunden haben. 
 

Ein sich für Mieter und Eigentümer anspannendes Umfeld 


Wie dem auch sei, Berufsverbände wie der SVIT weisen darauf hin, dass die derzeitigen Renditen für Hauseigentümer extrem tief sind und die Erhöhung des Referenzzinssatzes durchaus gerechtfertigt ist. 

Der neue Referenzzinssatz, der nun bei 1,50% liegt, ermöglicht nach der aktuellen Rechtsprechung eine Rendite von 3,50% auf das investierte Eigenkapital. Zieht man davon die aktuelle Teuerung von 2,60% ab, liegt die reale Rendite allerdings bei lediglich 0,90%. Dies ist für Pensionskassen und Versicherungen, die am Immobilienmarkt investieren, nicht sehr viel.

Der SVIT räumt jedoch ein, dass die steigenden Nebenkosten und die Teuerung sowie die gleichzeitige Erhöhung des Referenzzinssatzes einen «toxischen Cocktail» für bestimmte Mieterkategorien darstellen können. Und die Lage dürfte sich noch verschlechtern, wenn der Referenzzinssatz – wie erwartet – weiter angehoben werden sollte. 
 

Mieten in den letzten Monaten wieder gestiegen


Für Mieter ist die Situation umso heikler, als die Mieten in den letzten Monaten – nach einer Stagnation von 2016 bis 2020 – allgemein wieder angezogen haben. Die Mieten waren in der Schweiz noch nie so hoch wie heute. In fast allen Kantonen und Grossstädten wurden Rekordwerte erreicht, wenn man dem neuesten Immobilienindex Glauben schenken darf, der von Homegate und der Zürcher Kantonalbank veröffentlicht wurde. 

In den letzten drei Jahren betrug der Anstieg in der Schweiz durchschnittlich 6,2 Prozentpunkte – und fast 10 Prozentpunkte im Kanton Zürich. Wie im Kanton Wallis auch, der den Westschweizer Rekord bei den Mietpreissteigerungen verzeichnet. In der Stadt Zürich sind die Mieten sogar um 15 Prozentpunkte gestiegen. Die einzige bemerkenswerte Ausnahme stellt die Stadt Genf dar, wo die Mieten heute noch ein ganz klein wenig tiefer sind als vor drei Jahren. Angesichts der jüngsten Mietpreisentwicklung in Genf dürfte diese Ausnahme jedoch bald der Vergangenheit angehören. 
 

SNB befindet sich in einer absurden Situation 


Kurzum, vor diesem Hintergrund verheisse die Situation für die nächsten Monate nichts Gutes, meinen Andrea Martel und Michael Ferber von der NZZ. Sie prangern im Übrigen die absurde Situation an, in der sich die Nationalbank derzeit befindet. Denn deren Zinserhöhungen, die eigentlich die Inflation eindämmen sollten, lassen gleichzeitig die Wohnungsmieten steigen – und damit indirekt auch die Teuerung.

«Dies umso mehr, als diese Erhöhungen angesichts des angespannten Umfelds zu einem ungünstigen Zeitpunkt kommen», fahren die beiden Medienschaffenden fort. Zum einen müssten die Mieter bereits höhere Nebenkosten verdauen, zum anderen zeichne sich ein Wohnungsmangel – der die Preise ebenfalls in die Höhe treibt – am Horizont ab. 

Kurzum, die nächsten Monate werden für die Immobilienbranche keine leichte Zeit sein, unabhängig davon, ob man Mieter, Eigentümer oder Investor ist.

 
Olivier Toublan - Immoday.ch