Kein Aufschwung für die Baubranche im zweiten Halbjahr

02/08/2023

Immoday

Olivier Toublan

5 min

Wie steht es im zweiten Quartal 2023 um den Schweizer Bauindex? Der Gesamtumsatz der Branche ist weiterhin rückläufig, wird jedoch vom öffentlichen Bau gestützt. Der Wohnungsbau wird im Laufe des Jahres wahrscheinlich zurückgehen. Die einzige gute Nachricht: Die Baupreise sind auf dem Weg der Stabilisierung.

 

Ein kurzer Blick auf die Zahlen könnte den Gedanken aufkommen lassen, dass es der Baubranche wieder gut geht. Als Beweis dafür ist der Schweizer Bauindex im zweiten Quartal 2023 gegenüber dem Vorjahresquartal leicht gestiegen, und zwar um 1,1 %.
 

Betrachtet man diese Daten im Detail, sieht die Sache anders aus, erklären die Experten von Credit Suisse und dem Schweizerischen Baumeisterverband (SBV). Tatsächlich scheint der Wendepunkt erreicht zu sein, der Trend geht eindeutig nach unten. Nach der Bereinigung um Saison- und Kalendereffekte zeigen die Hauptsektoren der Baubranche im Vergleich zum ebenfalls rückläufigen Vorquartal einen Rückgang der Umsätze um 2,4 %. Der Baupreisindex, der im vierten Quartal 2022 mit 161 seinen Höchststand erreicht hatte, liegt heute nur noch bei 153 – und wahrscheinlich ist das noch nicht das Ende. Die Experten der Credit Suisse beispielsweise sind der Ansicht, dass «der Wohnungsbau im Jahresverlauf wahrscheinlich zurückgehen wird». 

 

Einzige gute Nachricht: die Stabilisierung der Baupreise 
 

Sieht man sich diesen Index an, den Credit Suisse und SBV jedes Quartal gemeinsam veröffentlichen, stellt man fest, dass es eigentlich nur eine gute Nachricht für die Branche gibt: «Die Materialpreise, die in den letzten Quartalen massgebend zum Anstieg des nominalen Umsatzes beigetragen haben, sind kürzlich infolge der Entspannung bei den Lieferketten und der Schwächung der Weltwirtschaft wieder unter ihr Niveau von 2022 gefallen.» Den Experten der Credit Suisse nach lagen die Materialkosten im Hochbau im April 2023 um 1,8 % unter dem Niveau des Vorjahres, im Tiefbau sogar unter 3,8 %.
 

In Bezug auf den Mangel an qualifizierten Arbeitskräften hingegen scheint jedoch keine schnelle Entspannung in Sicht zu sein, befürchten die Experten des SBV. «Dieser Mangel ist derzeit die grösste Bremse der Baubranche.» 

 

Die gute Lage des öffentlichen Baus hält die Branche über Wasser 
 

Eine weitere schlechte Nachricht ist, dass sich die Projektfinanzierung weiter verteuern dürfte, da trotz des jüngsten Rückgangs der Inflation eine weitere Zinserhöhung durch die SNB für September erwartet wird. Tatsächlich rechnen die Experten für den Herbst mit einem Leitzins von 2,25 %. 
 

Und doch könnte auch hier ein kurzer Blick auf die Zahlen den Beobachter optimistisch stimmen. Im zweiten Quartal 2023 lag der Bauindex nämlich um 1,9 % über dem Niveau des Vorjahresquartals. Dieser Anstieg ist jedoch vollständig dem öffentlichen Bau zuzurechnen (+42,5 %), erläutern die Experten des SBV, während der Industrie- und Gewerbebau (-6,1 %) und der Wohnungsbau (-3,3 %) rückläufig waren. 
 

Wenn man davon ausgeht, dass der Schweizer Bauindex ein guter Frühindikator für die Konjunktur des Bausektors in unserem Land ist, mit dem sich Umsatzprognosen für die kommenden Quartale erstellen lassen, zeigen die jüngsten Zahlen deutlich, dass beim Wohnungsneubau keine Trendumkehr erkennbar ist. 

 

Angst vor einer Knappheit an neuen Wohnungen
 

Das Investitionsvolumen der zum Bau bewilligten Projekte liegt weiterhin 6,4 % unter dem Niveau von 2022. Die Folge ist, dass die Branche zunehmend Schwierigkeiten hat, die Nachfrage zu decken. «Da kommt Angst vor einer Knappheit auf», bestätigen die Experten von Credit Suisse.
 

Ihrer Meinung nach sind sich alle politischen Ebenen dieser Tatsache bewusst, und es mehren sich die Stimmen, die Massnahmen fordern, um den Wohnungsbau vor allem in den Zentren und deren Peripherie attraktiver zu machen und die Verdichtung zu beschleunigen. Doch weil wir uns in der Schweiz befinden, befürchten die Spezialisten von Credit Suisse, dass die Umsetzung konkreter Massnahmen ebenso wie das Sichtbarwerden erster Effekte noch einige Zeit dauern wird.

 

Wird die Branche durch Nachhaltigkeit gerettet?
 

Ein Sonnenstrahl an diesem bewölkten Himmel: Die Investitionen in bestehende Gebäude steigen. «Eine Entwicklung, die zweifellos mit dem verstärkten Augenmerk auf Nachhaltigkeit zusammenhängt», vermuten die Experten der Credit Suisse, die mit einer starken Nachfrage in den Bereichen Umbau, Erweiterung und Renovation rechnen. Das Klimaschutzgesetz, das am 18. Juni 2023 in einer Volksabstimmung angenommen wurde, wird diese Dynamik noch befördern. Denn das Gesetz sieht unter anderem zusätzliche Subventionen für energetische Renovationen und den Austausch von Heizungen vor, um das Ziel eines klimaneutralen Gebäudebestands bis 2050 zu erreichen.
 

Ganz zu schweigen von den kurzfristigen Folgen der steigenden Energiepreise, die die energetischen Renovationen vorantreiben, was die Umsätze der spezialisierten Unternehmen ankurbeln wird.
 

Insgesamt, so analysieren die Experten der Credit Suisse, wurden in den letzten sechs Monaten Umbauanträge im Wert von 7,1 Milliarden Franken gestellt, was 16,2 % über dem Zehnjahresdurchschnitt liegt. Dies dürfte der Branche eine kleine Atempause verschaffen, bis eine allgemeine Erholung einsetzt.

 

Olivier Toublan, Immoday.ch