Julian Reymond von Realstone: «Die Renditen von Industrieliegenschaften sind um 100 Basispunkte höher als diejenigen von Gewerbeimmobilien»

27/11/2023

Immoday

Olivier Toublan 

5 Min

Industrieimmobilienfonds gibt es in der Schweiz nur wenige. Dennoch ist es ein Sektor mit stabilen Renditen, in dem es noch viele interessante Investitionsmöglichkeiten gibt – also bestens geeignet zur Diversifikation. Derzeit scheinen jedoch nur die Family Offices interessiert zu sein, die Pensionskassen sind eher zurückhaltend.

 
 

Während es in Nordamerika mehrere Industrieimmobilienfonds gibt, sind sie in unseren Breitengraden äusserst selten. Und doch handelt es sich um einen Sektor, der höhere Renditen abwirft als Wohnimmobilien und der eine interessante Diversifikationsmöglichkeit im Immobilienbereich bietet. Im Dezember 2022 hat sich die Realstone SA mit ihrem Realstone Industrial Fund (RIF) auf dieses Abenteuer eingelassen. Wir haben mit Julian Reymond, CEO der Gesellschaft, ein Gespräch darüber geführt.

 
Julian Reymond, weshalb haben Sie einen Industrieimmobilienfonds lanciert?
 

Wie so ziemlich alle Akteure in der Branche haben wir mit unseren verschiedenen Anlageprodukten ein beträchtliches Engagement in Wohnimmobilien. Wir wollten sehen, ob es noch andere interessante Bereiche gibt, in die wir expandieren können. Vor fünf Jahren haben wir daher eine umfassende Marktanalyse durchgeführt und festgestellt, dass Industrieimmobilien alle Anforderungen erfüllten.

 
Wirklich?
 

Die Performance von Industrieliegenschaften korreliert weniger stark mit der Konjunktur. Die Mieten sind weniger volatil und steigen seit 20 Jahren unablässig. Es gibt zwar Risiken – wie überall –, doch insgesamt ist es ein äusserst stabiler Sektor. Die Renditen liegen ungefähr 100 Basispunkte über denjenigen von Gewerbeimmobilien.

 

Gibt es in der Schweiz viele Industrieliegenschaften?

 

Die Schweiz ist nach wie vor ein Land mit einer starken Industrie, ein Sektor, der rund 20% des Schweizer BIP ausmacht. Es gibt daher auch immer noch grosse Industrieflächen in der Schweiz. Es ist aber eine ziemlich besondere Art von Immobilien: Das Marktangebot ist gering, da die Unternehmen in der Regel Eigentümer ihrer Industriestandorte sind. Dennoch gibt es Kaufgelegenheiten, z. B. wenn das Unternehmen seinen Standort verlagert oder sich umstrukturiert. Das ist im Übrigen mit dem Standort von Bussigny (VD) bei Lausanne passiert.

 

Um was für ein Objekt handelt es sich genau?

 

Es handelt sich um ein gut gelegenes Grundstück mit einer Fläche von 34 914 m². Es wurde vom Eignerunternehmen verkauft, welches im Übrigen auch heute noch einen Teil davon mietet. Wir haben neue Mieter verpflichten können, sodass der Leerstand zurückging, und beschäftigen uns derzeit mit der Aufwertung des restlichen Grundstücks, wobei in einem ersten Schritt nutzbare Immobilien von insgesamt 45 000 m³ entwickelt werden sollen. In einem zweiten Schritt könnten weitere 100 000 m³ entstehen, falls der neue Quartierplan angenommen wird. Es ist also ein riesiges Projekt.

 

Welche Entwicklungsmöglichkeiten gibt es für Industriegrundstücke?

 

In der Schweiz sind viele Industriestandorte nicht sehr dicht bebaut. Es gibt somit oft Platz für die Errichtung neuer Gebäude. Falls dies nicht der Fall ist, dann können Gebäude abgerissen und dichter wiederaufgebaut werden.

 

Das haben Sie am Standort von Bussigny getan?

 

Das machen wir gerade – dabei installieren wir auch Photovoltaikanlagen und optimieren so die Betriebskosten.

 

Wie viel hat Sie dieses Grundstück gekostet?

 

Ohne die vier kleineren Gebäude, die Teil der Transaktion waren, haben wir für das Industriegebiet von Bussigny ungefähr 45 Millionen Franken bezahlt.

 

Wie gross soll der RIF im Idealfall mittelfristig werden?

 

Wir streben eine Grösse von 500 Millionen Franken in fünf Jahren an. Derzeit verfügen wir über eine interessante Pipeline mit mehreren Objekten, die sich perfekt in die Strategie des Fonds einfügen, insbesondere Gebäude, die bereits an mehrere Mieter vermietet sind – mit langfristigen Mietverträgen von mindestens zehn Jahren – und wo keine Entwicklung mehr erforderlich ist. Wir sind derzeit auf der Suche nach Investoren für die kommenden Kapitalerhöhungen.

 

Wie hoch sind die erwarteten Renditen?

 

Wir streben für die fünfjährige Wachstumsphase des Fonds Bruttorenditen von 8%, einschliesslich der Kapitalgewinne aus der Entwicklung des Standorts von Bussigny. Nach dieser ersten Phase rechnen wird mit Dividenden von 4,5% bis 5%.

 

Welche Investoren interessieren sich für Industrieliegenschaften?

 

Angesichts der Renditen müssten sich eigentlich alle für diese Art von Immobilien interessieren. Bisher vertrauen uns aber vor allem Family Offices, da es sich um einen weniger bekannten Anlagesektor handelt, der daher noch als riskant wahrgenommen wird.

 

Und die Pensionskassen?

 

Heute sind Immobilien keine Priorität mehr für die Pensionskassen. Sie sind sehr zurückhaltend und wollen praktisch risikolose Anlagen. Sie warten zu, bis wir einen überzeugenden Track Record vorweisen können, bevor sie sich auf Investitionen in diesen sehr speziellen, ungewöhnlichen Immobiliensektor einlassen. Sie ziehen in der Regel Wohnimmobilien vor.

 

Dabei haben Sie uns doch gerade gesagt, dass das Risiko gering und die Rendite höher ist als bei Gewerbeimmobilien.

 

Das Hauptrisiko besteht darin, dass ein Grossmieter auszieht. Es ist nicht immer möglich, diesen sofort zu ersetzen. Zudem können Arbeiten erforderlich sein, was bisweilen zu hohen Sanierungs- und Umwidmungskosten führt. Aus diesem Grund sind strikte Kaufkriterien notwendig. Beispielsweise nur Standorte mit mehreren Mietern, um das Leerstandsrisiko zu minimieren, und ohne umweltschädliche Produktionsanlagen, um die Kosten für die Umwidmung möglichst gering zu halten.

 
Welche Art von Industrieimmobilien suchen Sie also?
 

Wir beschränken uns auf die Schweiz und auf Gebiete in der Nähe der Hauptverkehrsachsen. Die Immobilien, die uns interessieren, reichen von Lagerhallen über gewerbliche Produktionsstätten bis hin zu Garagen, Analyselaboren oder Reinräumen für die Uhrenindustrie. Und wir bleiben im Bereich der Leichtindustrie, ohne Büros oder Geschäfte, um Volatilität und Leerstandsprobleme zu vermeiden.

 

Sie haben gesagt, dass heute die meisten KMU Eigentümer ihrer Industriestandorte sind. Für sie sind diese oft ein finanzielles Sicherheitspolster. Weshalb sollten sie Ihnen ihre Standorte verkaufen?

 

Wie ich bereits gesagt habe, gibt es Verlagerungen oder Übernahmen von Unternehmen. In diesem Fall ist es oft besser, die Immobilien aus der Transaktion auszuschliessen, um den Transaktionsbetrag zu senken. Zweitens können viele KMU durch den Verkauf ihrer Immobilien Cashflow generieren, um ihr Geschäft auszubauen – ein Geschäft mit einem höheren Return on Investment, als die Immobilien an ihrem Industriestandort abwerfen.

 

Wird der Standort in der Folge vom Industrieunternehmer gemietet?

 

In der Regel ja, mit einem langfristigen Mietvertrag. Es handelt sich hierbei um das Konzept «Sale and Lease back», mit welchem das Leerstandsrisiko für den Eigentümer gesenkt wird und welches dem Industrieunternehmer ermöglicht, sein Geschäft in seinen Räumlichkeiten als Mieter weiterzuführen.

 

Ist die Konkurrenz beim Kauf solcher Standorte hart?

 

Dieser Sektor ist in der Schweiz sehr wenig entwickelt. Wir sind praktisch die Einzigen am Markt. Er ist dermassen wenig entwickelt, dass wir zwei Personen haben, die im ganzen Land auf Erkundungstour gehen, nur um Akquisitionsmöglichkeiten zu finden. Es gibt sie, sie sind interessant, aber nicht immer leicht zu finden. Das ist etwas ganz anderes als Wohn- oder Gewerbeimmobilien.

 

Realstone will in Sachen ESG führend sein. Doch wie lässt sich Nachhaltigkeit mit Industrieimmobilien vereinbaren?

 

Für den Realstone Industrial Fund haben wir im Fondsvertrag das Ziel verankert, die CO2-Emissionen aus Scope 1 und 2 langfristig auf maximal 10 kg/m2/Jahr zu begrenzen. Daher wird es bei allfälligen Entwicklungen ohnehin energetische Sanierungen geben. Darüber hinaus bieten Industrieliegenschaften sehr häufig grosse Dachflächen, um Photovoltaikanlagen zu installieren. Für die Nachhaltigkeit ist dies wichtig. Zudem ist zu beachten, dass der Energieverbrauch im Zusammenhang mit der direkten Geschäftstätigkeit des Mieters in dessen Verantwortung und nicht in der des Eigentümers liegt, wie dies auch bei Wohn- und Gewerbeimmobilien der Fall ist (Scope 3). Zu guter Letzt sensibilisieren wir unsere Mieter – wie wir es bereits bei Wohn- und Gewerbeimmobilien tun – für ein umweltbewusstes Verhalten, insbesondere im Hinblick auf Wasser- und Energieeinsparungen oder Abfalltrennung.

 

Olivier Toublan - Immoday.ch