Zahlt sich Nachhaltigkeit aus? Noch nicht.

17/08/2022

Immoday

Olivier Toublan

4 Min

Etwa die Hälfte der Schweizer Immobilienfonds lässt inzwischen eine unabhängige Nachhaltigkeitsanalyse durchführen. Zwar sind die veröffentlichten Zahlen mit Vorsicht zu geniessen, doch scheint die Branche auf dem richtigen Weg zu sein. Dennoch hat ein Nachhaltigkeitslabel noch keine messbare Wirkung auf die Börsenperformance.

 

Schweizer Immobilienfonds achten immer stärker auf die Nachhaltigkeit ihres Immobilienbestands, bestätigt eine aktuelle Studie von UBS. Dem Autor Maciej Skoczek nach haben «im Jahr 2022 fast alle kotierten Immobilienfonds zum ersten Mal einen Nachhaltigkeitsbericht zu ihrem Immobilienbestand und der angestrebten Entwicklung erstellt.» Dabei legten sie einen Schwerpunkt auf den Energieverbrauch und Schadstoffemissionen. «Einerseits zählt der Immobilienbestand zu den grössten Emittenten von Treibhausgasen in der Schweiz, andererseits ist der ökologische Fussabdruck deutlich leichter messbar als andere Nachhaltigkeitsdimensionen», erläutert Maciej Skoczek.

 

Treibhausgasemissionen um etwa 8 % gesunken 
 

Bei der Analyse ihrer Jahresberichte kommt die UBS zu dem Schluss, dass die Schweizer Immobilienfonds über das Jahr ihre Treibhausgasemissionen um etwa 8 % senken konnten. Und bei den Fonds, die sich auf Geschäftsflächen konzentrieren, sieht es sogar noch besser aus: Sie konnten ihre CO2Emissionen im Vergleich zum Vorjahr um durchschnittlich 15 % senken. «Das ist zum einen auf den niedrigeren Heizbedarf wegen der vermehrten Nutzung von Homeoffice zurückzuführen. Zum anderen bewegt die unsichere Situation bei der Nachfrage nach Büroflächen nach der Pandemie einige Fonds dazu, ihre Flächen aufzuwerten.» Das heisst, weniger energiefressende Geschäftsflächen lassen sich leichter vermieten. Im Gegensatz dazu wurden die Emissionen bei Wohnimmobilien, wo der Druck der Mieter nicht so hoch ist, nur um 3 % gesenkt.
 

Dieses Ergebnis ist weniger interessant, wenn man sich den Energieverbrauch ansieht. Zwar ist er in den letzten 12 Monaten gesunken – aber nur um 3 %. Auch hier gibt es einen grossen Unterschied zwischen «Geschäftsflächen, die ihren Verbrauch um 5 % senken konnten, und Wohnimmobilien, die insgesamt einen leichten Anstieg verzeichneten.»

 

Die Zahlen sind mit Vorsicht zu geniessen 

 

Diese Zahlen zu den Treibhausgasemissionen und dem Energieverbrauch müssen jedoch mit Vorsicht betrachtet werden, mahnt Maciej Skoczek. «Einige Fonds werden sich gerade erst der Umweltauswirkungen ihrer Immobilien bewusst und haben noch nicht die Kohlenstoffintensität aller ihrer Objekte unter die Lupe genommen.» Vor allem aber, so der UBS-Ökonom weiter, gibt es noch keine Standards für die Messung und die Veröffentlichung der Nachhaltigkeitsdaten.
 

In der Tat sollten diese Zahlen mit Vorsicht betrachtet werden, bestätigt Yannick Tinguely, Direktor von Signa-Terre in der Deutschschweiz, einem Beratungsunternehmen im Bereich Energiemanagement von Immobilien.  «Die UBS-Studie ist interessant, aber das Problem ist, dass Immobilienfonds unterschiedliche Standards zugrunde legen, woraus sich enorme Unterschiede ergeben. So veröffentlichen einige nur den theoretischen Verbrauch ihrer Immobilien, der mitunter jedoch stark vom tatsächlichen Verbrauch abweicht.»
 

Doch die Situation entwickelt sich, und zwar zum Guten. Inzwischen nimmt fast die Hälfte der Schweizer Immobilienfonds eine unabhängige Bewertung vor, wie den GRESB (Global Real Estate Sustainability Benchmark) oder den SSREI (Swiss Sustainable Real Estate Index).

Diese Standards erlauben einige erste Vergleiche. Und hier stechen die Schweizer Immobilienfonds aus der Masse heraus, versichert Maciej Skoczek. «Alle oder fast alle Immobilienfonds des Landes haben in den Bereichen Soziales und Governance die Höchstpunktzahl erreicht.» Im Bereich Umwelt muss etwas stärker differenziert werden, aber die Schweizer Fonds müssen sich im internationalen Vergleich nicht verstecken.

 

Noch grosses Verbesserungspotenzial 

 

Im Bereich Umweltschutz sieht der UBS-Experte noch ein erhebliches Verbesserungspotenzial. «Etwa 60 % der von Fonds gehaltenen Immobilien werden noch mit Gas oder Heizöl beheizt. In den kommenden Jahren werden sich die ökologischen Bemühungen der Fonds darauf konzentrieren, fossile Heizsysteme durch nachhaltige Energiequellen zu ersetzen, neue Fotovoltaikanlagen zu installieren und ihre Gebäude zu renovieren.»
 

Vermieter werden im Übrigen keine Wahl haben, vor allem auch angesichts des in den letzten Monaten beobachteten Anstiegs der Energiepreise, der zu höheren Mietnebenkosten führt. «In einem alten, schlecht isolierten Gebäude, das mit fossilen Brennstoffen beheizt wird, könnten die Bruttomieten um 10 bis 15 % steigen», schätzt Maciej Skoczek. Er geht davon aus, dass Heizungen mit fossilen Brennstoffen in den nächsten Quartalen zügiger durch umweltfreundlichere Alternativen ausgetauscht werden, was mittelfristig zu einem Rückgang der Treibhausgasemissionen und des Energieverbrauchs führen wird.

 

Zahlt sich Nachhaltigkeit aus? 
 

Bleibt eine letzte, wichtige Frage: Nachhaltigkeit ist gut, das bestreitet niemand, aber zahlt sie sich auch aus? Sind die Anleger bereit, für die umweltfreundlichsten Fonds mehr zu zahlen?
 

Für Maciej Skoczek ist der Einfluss der nachhaltigen Ausrichtung auf die Performance nicht ersichtlich. «Schweizer Immobilienfonds, die ihr Immobilienportfolio einer externen Bewertung durch GRESB oder SSREI unterziehen, weisen seit 2015 eine bessere Performance auf als andere Fonds, aber der Unterschied beträgt im Durchschnitt gerade einmal 1,5 %. Und dieser Unterschied sollte nicht vorschnell allein einer erfolgreicheren Umsetzung einer Nachhaltigkeitsstrategie zugeschrieben werden.»
 

Doch ist dies vielleicht nur eine Frage der Zeit. Denn energetische Renovationen führen zwar zumindest kurzfristig zu höheren Investitionen, langfristig verbessern sie jedoch die Qualität der Immobilienportfolios, was wiederum den Wert der Fonds, denen sie gehören, steigert. Ausserdem verringern diese Renovationen das Risiko, schwer vermietbare Energieschleudern im eigenen Portfolio zu halten, sagt Maciej Skoczek abschliessend. Kurzum: «Nachhaltiges Engagement dürfte auf lange Sicht die Attraktivität von Immobilienfonds erhöhen.»
 

Olivier Toublan, Immoday