Lucia Morgillo und Laure Carrard von IMvestir: «In einer perfekten Welt bietet diese neue Situation viele Chancen»

14/06/2023

Immoday

Olivier Toublan

4 Min

Die angekündigte Fusion von Credit Suisse und UBS ist keine wirklich gute Nachricht für einen Markt für verbriefte Immobilien, wo dieser bereits seit einigen Monaten auf Sparflamme läuft. Sie wird neue Risiken für Anleger mit sich bringen: das Konzentrationsrisiko und das Risiko von Unsicherheiten, erklären die unabhängigen Expertinnen Lucia Morgillo und Laure Carrard.

 

Für den Immobilienfondsmarkt ist die Fusion von Credit Suisse und UBS eindeutig keine gute Nachricht, so lautet zumindest die allgemeine Meinung aller Personen, die wir zu diesem Thema befragt haben. Dennoch könnte diese Situation für bestimmte Marktteilnehmer Chancen eröffnen. Lucia Morgillo, CEO mit langjähriger Erfahrung im Immobiliensektor, und Laure Carrard, Direktorin und Leiterin der Immobilieninvestments bei IMvestir Partners SA, einer Beratungsfirma, die auf die quantitative und qualitative Analyse von indirekten Immobilienanlagen in der Schweiz spezialisiert ist.
 

Sie liefern uns aus zwei Perspektiven eine klare Analyse der Marktsituation und erläutern, wie sich der Markt nach der Fusion der beiden Grossbanken entwickeln könnte.

 

Lucia Morgillo, Laure Carrard, welche Auswirkung hat die Fusion von Credit Suisse und UBS auf den Markt für verbriefte Immobilien?

 

Der Markt war bereits wenig effizient, was die Anzahl der Produkte und die Diversifizierung im Vergleich zu anderen Anlageklassen betrifft. Die neue Situation kam zu einem Zeitpunkt, an dem sich die Anleger bereits seit einigen Monaten abwartend verhielten. Infolgedessen zogen es mehrere Emittenten vor, ihre Kapitalerhöhungen aufzuschieben. Selbst wenn die Grösse des Marktes nach der Fusion stabil bleibt, wird die neue Situation mit einem nunmehr sehr dominanten Akteur neue Fragen aufwerfen.

 

Sie haben in diesem Zusammenhang von einem «Konzentrationsrisiko» gesprochen. Was heisst das?

 

Eines der Probleme für Anleger wird die geringe Diversifizierung sein. Sie wollen und können nicht alle Eier in einen Korb legen. So lautet beispielsweise eine Regel für die Vermögensallokation, dass ein Anleger nicht mehr als 20 % seines Vermögens bei einem einzigen Emittenten halten soll. Institutionelle Anleger, die einen grossen Teil der Anleger von Immobilienfonds ausmachen, sind besonders vorsichtig und beachten diese Regel. Wegen der Fusion von Credit Suisse und UBS werden viele die 20-Prozent-Grenze überschreiten und wahrscheinlich ihr Risiko reduzieren müssen, indem sie einen Teil ihrer Anteile an Fonds von Credit Suisse und UBS veräussern und anderweitig neu investieren.

 

Wo?

 

Wie bereits erwähnt, hat das Universum der Anlagen keine grosse Produktpalette zu bieten. Dies bietet jedoch Chancen für Produkte, die sich von der Masse abheben und diese Anleger durch ein «Hands-on»-Management, eine aktive Strategie und ihre Fähigkeit zur langfristigen Wertschöpfung anziehen.

 

Gibt es sonst noch Risiken für Anleger?

 

Für Anleger kann die Unsicherheit ein weiteres Risiko darstellen, denn bisher weiss niemand, was mit den Fonds der Credit Suisse geschehen wird. Werden sie mit den UBS-Fonds zusammengelegt? Werden sie verkauft? Werden sie zerlegt? Werden sie weiterhin von getrennten, identischen Teams verwaltet werden und wenn ja, wird das Team weiterhin dieselbe Strategie verfolgen? Kurzum, der Kontext ist komplex und vor allem ist es noch zu früh, um irgendetwas vorherzusagen. Ein weiterer Aspekt, den es zu berücksichtigen gilt, ist die Volatilität. Diese wird wahrscheinlich noch zunehmen, wobei der Markt bereits seit 2022 besonders unbeständig ist.

 

Nach der Fusion werden die UBS-Fonds noch grösser – und damit liquider, was erhebliche Möglichkeiten für Skaleneffekte bietet, die letztlich den Anlegern zugutekommen würden?

 

Unserer Meinung nach waren die Fonds bereits gross genug, um diese Skaleneffekte, z. B. bei den Verwaltungsgebühren, realisiert zu haben. Grösse ist nicht immer ein Vorteil, denn diese Fonds sind echte Mammuts geworden, die sich sehr von kleinen Fonds unterscheiden. Bei diesen kennen der Fondsmanager und das Managementteam jedes einzelne Gebäude im Portfolio, den Geschäftsplan und das Wertpotenzial, da sie häufig in Kontakt mit diesen sind und die festgelegte Strategie umsetzen. Bei riesigen Fonds ist so etwas oft nicht mehr möglich.

 

Sie haben erwähnt, dass die Fusion für bestimmte Marktteilnehmer Chancen bieten könnte. Inwiefern?

 

Diese neue Situation kann für die dynamischsten Manager mit klaren Strategien und einer langfristigen Vision tatsächlich eine Quelle von Chancen sein. Sie haben jetzt die Gelegenheit zu zeigen, dass sie Wert schaffen und sich von der Masse abheben können. Angesichts des aktuellen Marktes, dessen Anleger aufgrund der Inflation und der steigenden Zinsen viele Fragen haben, müssen wir jedoch abwarten, ob ihr Appetit auf neue Investitionen in den kommenden Monaten anhält. Wir tendieren jedoch dazu, Manager dazu zu ermutigen, ihr Know-how stärker zu kommunizieren und die Möglichkeit zu nutzen, bei der zu erwartenden Umverteilung den frei gewordenen Platz einzunehmen.

 

Sind Sie am Ende trotz dieser Situation optimistisch oder pessimistisch?

 

Wir sind leider nicht sehr optimistisch, da es in diesem Stadium noch viele unbekannte Grössen gibt. Wir befinden uns, wie viele andere auch, vor allem in einer abwartenden Position mit vielen Fragen. Aber wir sind davon überzeugt, dass diese Anlageklasse eine attraktive Investition in einer Asset Allocation sowie ein sehr reizvolles Mittel zur Diversifizierung bleibt. Vergessen wir nämlich nicht, dass Immobilienfonds eine Dividendenrendite von 2.4 % für kotierte Fonds und 2.8 % für nicht kotierte Fonds bieten. Darüber hinaus ist das Niveau der Agios mit 12 % derzeit sehr attraktiv. Vielleicht sollte man jetzt die Gelegenheit nutzen und die besten Manager auswählen, die langfristig solide Ergebnisse erzielen können.

 

Olivier Toublan, Immoday