Francesca Boucard von Swiss Life Asset Managers: «Die Wahl des Sektors ist entscheidend»

05/04/2024

Mathias Rinka

Immoday

6 min

Die makroökonomischen und demografischen Rahmenbedingungen in der Schweiz präsentieren sich zu Beginn des Jahres 2024 so solide, dass Swiss Life Asset Managers von einer weiteren Stabilisierung am Schweizer Immobilienmarkt ausgeht. Die langfristigen Hypothekarzinsen sind im Schlussquartal 2023 bereits spürbar gesunken, und mit der Aussicht auf zwei Zinssenkungen durch die Schweizerische Nationalbank im Jahresverlauf, dürften auch die Finanzierungskosten für Projektentwicklungen wieder günstiger werden. «Damit besteht Aussicht auf mehr Planungssicherheit – eine Chance, die Investoren aktiv nutzen sollten», sagt Francesca Boucard, Head Real Estate Research & Strategy von Swiss Life Asset Managers.

 

Ohne Fleiss kein Preis

 

Ausgelöst durch steigende Zinsen, seien die Transaktionsmärkte im 2023 ins Stocken gekommen, Finanzierungen wurden erschwert und Bewertungen litten ebenfalls teils. «Auch in 2024 sorgen generelle Schwierigkeiten im Baugewerbe, sowie allgemein bei der Kapitalbeschaffung, weiterhin für Hürden bei der Versorgung mit neuwertigen Flächen, wodurch bestehende Assets zu knappem Gut werden. Die aktuelle Investitions- und Bauaktivität bringt zum Ausdruck, wie selektiv Investoren im heutigen Umfeld agieren», erklärt Boucard.

 

Die fallenden Zinserwartungen würden nun Schwung in die Sache bringen. Swiss Life Asset Managers geht von einer anziehenden Transaktionsaktivität im zweiten Halbjahr 2024 aus. Sowohl die Nominalverzinsung von Staatsanleihen als auch die Hypothekarzinsen in der Schweiz seien seit den Höchstständen 2022 «deutlich gefallen». «Mittelfristig erwarten wir eine Stabilisierung, so dass wir bis Ende 2026 für die schweizerische Bundesanleihe von 1.1% ausgehen», so Boucard (Stand: März 2024).

 

«Das bedeutet, dass wir uns auf einem höheren Zinsniveau als in den letzten zehn Jahren vor der Pandemie befinden. Ganz so einfach wie vor der Zinswende wird die Gewinnsteigerung im Immobilienbereich also nicht mehr. In den nächsten Jahren wird sich die Spreu vom Weizen trennen, und nur die Investoren, die sich aktiv mit ihren Portfolios und den darin enthaltenen Assets beschäftigen, auch in Zukunft anhaltende Wertschöpfung generieren.»

 

Reicht «Lage, Lage, Lage» noch aus?

 

Investoren dürften sich auch weiterhin am Leitsatz «Lage Lage Lage» orientieren, so die Forscherin. Es brauche aber künftig mehr als nur die Lage, um die Erträge zu erhalten, oder gar steigern zu können. In einem ersten Schritt sei die Wahl des Sektors entscheidend. «In der Schweiz glauben wir weiterhin stark an das Wohnsegment. Die Nettozuwanderung lag über die vergangenen zwölf Monate bei rund 100'000 Personen, und wir erwarten, dass diese auch weiterhin über den Vorjahren liegen wird.» 

 

Durch ein nach wie vor knappes Angebot würden die Marktmieten für Wohnraum entsprechend um 1 bis 5% gegenüber dem Vorjahr steigen. «In den Städten sogar noch mehr - damit ist der mittelfristige Ertragszuwachs gesichert», sagt Boucard.

 

Die anhaltende Zuwanderung stütze auch das Beschäftigungswachstum. Vor dem Hintergrund einer Erholung des Wirtschaftswachstums geht Swiss Life Asset Managers davon aus, dass auch die Nachfrage nach Büroflächen konstant bleiben wird. Im Vergleich zur Vergangenheit sei man dennoch hier vorsichtiger geworden, weil die Ansprüche an die Flächen, neben der Lage, sowie die Ausbaustandards und, vor allem, die ESG-Anforderungen,nochmals stark zugenommen hätten. «Die zuletzt erschienenen Daten bestätigen, dass Geschäftsflächen an Bestlagen am gesuchtesten sind, obwohl gewisse Firmen ihre Büroflächen abbauen wollen», so Boucard.

 

«Prime» bleibt im Investorenfokus

 

Gemäss CBRE stieg, in gewissen Vororten, die Verfügbarkeitsquote im vierten Quartal 2023 auf 9,8% an, während sie in Central Business Districts (CBDs) mit 3,8% vergleichsweise tief liegt. Entsprechend verhalten sich die Angebotsmieten: gemäss neueren Zahlen von Wüest Partner seien diese, in der Schweiz, rückläufig für Büroflächen. Gleichzeitig steigen sie aber in den Topmärkten Zürich und Genf, und verharren in den anderen grösseren Städten leicht über vorpandemie-Niveau. «Prime bleibt also im Fokus der Investoren», meint Boucard.

 

Neben strukturell attraktiven Sektoren wie Wohnen oder Gesundheitsimmobilien, getrieben durch die Alterung der Gesellschaft, werde es in den nächsten sechs bis neun Monaten auch Möglichkeiten geben, interessante Objekte in anderen Sektoren zu niedrigen Preisen zu erwerben, ist sie überzeugt. «Die Investoren sollten bereit sein, solche Möglichkeiten zu prüfen, sobald sie sich ergeben.»
 

Mathias Rinka - Immoday.ch