Wie nachhaltig sind Immobilienfonds?

31/05/2022

Immoday

Olivier Toublan

3 Min

Immobilienmonitoring 11, Mai 2022, Immoday


Im Zusammenhang mit Immobilien wird viel über Nachhaltigkeit gesprochen. Doch ist es schwierig, diese zu messen
 und vor allem, die verschiedenen Anlagevehikel miteinander zu vergleichen. Um diese Lücke zu schliessen, hat die Universität Lausanne einen globalen ESG-Index geschaffen. Dessen erste Ergebnisse eher gemischt ausfallen.

 

Wir müssen es nicht mehr erklären: Jeder, der in der Immobilienbranche tätig ist, weiss, dass Nachhaltigkeit die grosse Herausforderung der kommenden Jahre ist. Und die Ziele des Bundes sind klar: CO2-Neutralität bis 2050. Um diese zu erreichen, hat die Mehrheit der Fachleute eine Nachhaltigkeitsanalyse ihres Immobilienparks durchgeführt oder ist gerade dabei, dies zu tun. Doch weil fast jeder eine andere Methode verwendet, hat man zwar nach einer Analyse eine gute Vorstellung von seiner eigenen Situation, doch ist der Vergleich mit Kollegen aus der Branche nicht möglich. Bisher fehlt ein ESG-Score, der für alle gleich berechnet wird.

 

Er fehlte. Denn das Center For Risk Management der Universität Lausanne (CRML) hat gemeinsam mit der Banque Cantonale Vaudoise einen ESG-Index für die Branche berechnet und Ende März einen Bericht dazu veröffentlicht. Auf Grundlage der Ergebnisse einer gross angelegten Umfrage wurden ESG-Scores berechnet und anschliessend so zusammengefasst, dass sie ein Gesamtbild des Marktes ergaben. «Mit der Zeit wird dieser jährliche Bericht einen wertvollen Hinweis auf die ESG-Trends im Schweizer Immobilienmarkt liefern», versichert Eric Jondeau, Professor an der UNIL und Co-Direktor des CRML.

 

Eine mittelmässige Durchschnittsnote 
 

Erste Feststellung: Die durchschnittliche Note für die Nachhaltigkeit des Schweizer Marktes für indirekte Immobilienanlagen ist mangelhaft. «Die Gesamtnote liegt im einfachen Durchschnitt bei 4,70 und bei 5,52, wenn man einen vermögensgewichteten Durchschnitt nimmt, wobei der schlechteste Wert 0 und der beste Wert 10 ist.» Die besten Noten gingen an Immobilienstiftungen, gefolgt von Investmentfonds, während Investmentgesellschaften dahinter lagen.

 

Im Übrigen fällt die Bewertung für die Portfolios grosser Unternehmen tendenziell besser aus. «Das kann daran liegen, dass diese über bessere Kapazitäten verfügen, um sich mit ESG-Themen zu beschäftigen», vermuten die Autoren. «Dabei haben im Allgemeinen etwa 50 % der Unternehmen mindestens eine Vollzeitkraft für das Management von ESG-Themen eingestellt, und 70 % gaben an, einen speziellen Ausschuss oder eine Task Force eingerichtet zu haben.» 45 % der Befragten haben die Prinzipien für verantwortliches Investieren der Vereinten Nationen (UN PRI) unterzeichnet.

 

Priorität: Senkung der CO2-Emissionen 
 

Wenn es um Nachhaltigkeit geht, sprechen die Immobilienfachleute vor allem über CO2-Emissionen, erläutern die Autoren der Studie. «Fast drei Viertel der Befragten haben bereits klare Ziele, um ihre CO2-Emissionen zu reduzieren und die Netto-Null-Emission zu erreichen.» Nach den Berechnungen der Autoren entspricht dies einer Reduzierung um 16 % bis 2025, 40 % bis 2030 und 96 % bis 2050. Zudem denken sie, dass «die Messungen der Energieintensität bei einem Durchschnitt von 105,49 kWh/m2mit den Zielen des Klimawandels bis 2050 in Einklang zu stehen scheinen».

 

Trotz der Vorrangstellung fossiler Brennstoffe scheint sich der Energiemix des Portfolios insgesamt in die richtige Richtung zu entwickeln. «Die durchschnittlichen Treibhausgasemissionen betragen 19,58 kg CO2e/m2 und machen einen guten Eindruck im Vergleich mit der Obergrenze von 20 kg CO2e/m2, die bei der letzten Revision des CO2-Gesetzentwurfs angestrebt wurde.» Die kommenden Umfragen werden zeigen, wie sich dieses Niveau im Vergleich zu den Zielen der CO2-Neutralität entwickelt.

 

 

Diskrepanz zwischen Absichten und Massnahmen 
 

Während sich die Situation bei den Treibhausgasemissionen gut entwickelt, gibt es an anderen Fronten noch Spielraum für Verbesserungen. Wie die Autoren der Studie feststellen, geben nur sehr wenige Unternehmen Auskunft über ihre Wassernutzung, die Abfallproduktion oder ihre Biodiversität. «Hier scheint es eine Diskrepanz zwischen den Absichten, der umgesetzten Unternehmenspolitik und den Instrumenten zur Messung der tatsächlichen Situation zu geben.»

 

Diese Situation steht für ein grundlegendes Problem der Nachhaltigkeit in der Schweiz: Quantitative Informationen sind oft schwer zu bekommen. «Einige Unternehmen verfügen noch nicht über die Ausrüstung, um genaue Zahlen zu den verschiedenen ökologischen Dimensionen ihrer Portfolios liefern zu können.» Wie wir gesehen haben, mit Ausnahme der Zahlen zu CO2-Emissionen und Energieintensität, die weitgehend verfügbar sind.

 

«Doch die Bemühungen sind im Gange, mit einer klaren Tendenz zu mehr Transparenz», erkennen die Autoren an, die sich jedoch als gute kartesische Akademiker mehr Harmonisierung bei den verwendeten Methoden wünschen. «Wenn man eine Marktbewertung und aussagekräftige Vergleiche anhand dieser Daten erhalten möchte, muss die Branche unbedingt einheitliche Methoden und Richtwerte zugrunde legen.»

 

Etwas Methodik 
 

Um diese einheitlichen Richtwerte zu schaffen, hat das Center For Risk Management der Universität Lausanne seinen Nachhaltigkeitsindex entwickelt. Dazu wurde ein Fragebogen an 143 Immobilienanlagevehikel verschickt, egal ob Fonds, Stiftungen oder Immobiliengesellschaften. 59 Unternehmen nahmen teil, die etwa zwei Drittel des Schweizer Marktes für indirekte Immobilienanlagen repräsentieren. Mit anderen Worten: Die Studie berücksichtigte mehr als 9000 Immobilien mit einem Gesamtwert von über 110 Milliarden Franken, wobei die meisten grossen Vermögensverwalter, darunter fast alle börsenkotierten Fonds, teilnahmen.

 

Doch die hohe Beteiligung der grossen Verwalter könnte die Ergebnisse verzerren, räumen die Autoren der Studie ein: «Das gesamte erfasste Portfolio, das im Durchschnitt Baujahr 1977 ist, scheint jünger zu sein als der Durchschnitt der Immobilien in der Schweiz.» Auch die Neubau- und Renovationsraten sind ziemlich hoch, was auf Portfolios mit möglicherweise überdurchschnittlich hohen ESG-Merkmalen hinweist.
 

Olivier Toublan
Immoday