5 Minuten mit Alexandre Baettig, Co-Direktor von Acanthe

28/06/2022

Olivier Toublan

Immoday

5 Min


Zum heutigen '5 Minuten mit'-Interview begrüssen wir Alexandre Baettig, Co-Direktor von Acanthe

 

'5 Minuten mit' ist eine Interviewreihe, die zu einem besseren Verständnis der Akteure der Immobilienverbriefung in der Schweiz und ihrer Aktivitäten beitragen soll.
 

Alexandre Baettig, wenn man Ihren Lebenslauf liest, ist man erstaunt, wie viele Funktionen Sie ausüben. 

 

Ich bin tatsächlich in mehreren Bereichen der Immobilienwirtschaft tätig – einerseits in der Immobilienbewertung und andererseits im Asset Management für Immobilien. Die erste Funktion ist mein Hauptberuf: Ich leite gemeinsam mit Caroline Dunst Acanthe, eine Tochtergesellschaft der Naef-Gruppe, für die ich nun seit mehr als 15 Jahren arbeite. Acanthe ist auf Immobilienbewertungen spezialisiert. Wir sind insgesamt rund 15 Personen und haben Geschäftsstellen in Genf, Lausanne und Neuenburg.

 

Sind diese regionalen Geschäftsstellen wichtig für Sie? 
 

Meiner Meinung nach muss ein guter Schätzexperte vor allem seinen lokalen Markt gut kennen. So kann das Risiko einer Fehleinschätzung eines Objekts verringert werden. Ich bin Spezialist für den Genfer Markt und würde es zum Beispiel nicht wagen, im Wallis Immobilienbewertungen vorzunehmen. Ich kenne die Besonderheiten des dortigen Marktes nicht gut genug.

 

Muss man den lokalen Markt wirklich kennen? Wird der Wert von Immobilien heute nicht mithilfe von Softwareprogrammen und künstlicher Intelligenz ermittelt? 
 

Es gibt in der Tat Software und Tools, die dabei helfen können, den Wert eines Objekts zu berechnen. Anschliessend ist jedoch das Know-how eines Fachmanns erforderlich, um zu überprüfen, ob das errechnete Ergebnis auch tatsächlich dem Wert des betreffenden Objekts entspricht. Bisweilen reicht eine Abweichung von ein oder zwei Strassen aus, damit sich der Wert einer Immobilie erheblich ändert. Und genau hier bietet ein Experte im Vergleich zu einer automatisierten Bewertungsmethode einen echten Mehrwert. Er muss sagen können «Hier stimmt etwas nicht», muss das Problem erkennen und muss abschätzen, wie es sich auf den Wert auswirkt. Und dies ist nur möglich, wenn er den lokalen Markt sehr gut kennt. Automatisierte Bewertungen werden in der Regel bei Standardobjekten eingesetzt, insbesondere von Banken bei der Hypothekenvergabe, bei der solche Daten ausreichen, um das Ergebnis zu plausibilisieren.

 

Kommen wir wieder auf die verschiedenen Funktionen zu sprechen, die Sie innehaben. Sie kümmern sich auch um die Anlagestiftung Lithos. 
 

Das ist die zweite Funktion, die ich ausübe. Ich bin seit etwa zwölf Jahren geschäftsführender Direktor von Lithos. Es handelt sich um eine Anlagestiftung für institutionelle Anleger in der Schweiz, die ein Immobilienportfolio von rund 450 Millionen Franken besitzt. Acanthe kümmert sich um alle operativen Aspekte der Stiftung und verwaltet das Immobilienportfolio. Wir berichten direkt an den Stiftungsrat, der die Entscheidungsbefugnis behält, insbesondere in Bezug auf die Akquisitions- und Hypothekarstrategie.

 

Ihre dritte Funktion: Sie sind für die Schweizerische Kammer der Experten in Immobilienbewertungen tätig. 
 

Vor einigen Monaten bin ich Präsident der Kammer geworden. Es erfüllt mich mit Stolz und ist gleichzeitig eine grosse Herausforderung. Der Kammer gehören mehr als 100 Mitglieder aus der ganzen Westschweiz an. Das Hauptziel ist es, den Berufsstand durch die Qualität der Kammermitglieder aufzuwerten und den Beruf der Immobilienbewertung ins Rampenlicht zu rücken. Auch der Erfahrungsaustausch ist meiner Meinung nach die grosse Stärke eines solchen Verbands.

 

Wird der Beruf denn nicht geschätzt? 
 

Ich glaube nicht, dass der Beruf unter einem schlechten Image leidet, er verdient es aber, bekannter zu werden, und zwar vor allem in den Bereichen, in denen qualifizierte Immobilienexperten benötigt werden. Und wie ich bereits gesagt habe, ist ein Experte nur dann gut, wenn er seinen lokalen Markt sehr gut kennt. In grossen Zentren wie Genf und Lausanne mangelt es nicht an solchen Experten. In anderen Regionen hingegen ist es schwierig, ausgewiesene Fachleute mit einer gewissen Erfahrung zu finden. Genau dort müssen wir unseren Beruf bekannter machen.
 

Alle Ihre Funktionen haben etwas mit Immobilien zu tun. Sind Immobilien Ihre Leidenschaft?
 

Ich bin vor 40 Jahren in Genf geboren, wo ich auch heute noch wohne. Ich habe in Genf auch mein gesamtes Studium absolviert, bis zu meinem Master in Wirtschaftswissenschaften mit Schwerpunkt Finanzwesen. Während dieses Universitätsstudiums haben mich die Vorlesungen Immobilien und Finanzen von Prof. Martin Hoesli besonders interessiert, was mich davon überzeugt hat, diesen Weg einzuschlagen. Übrigens habe ich meine Ausbildung später durch ein Diplom des Institut d'études immobilières (IEI) abgerundet, welches einem Nachdiplomstudium im Immobilienbereich gleichkommt.
 

 

Anschliessend sind Sie in die Naef-Gruppe eingetreten.  
 

Nach meinem Studium hatte ich zwei oder drei kurze Anstellungen gehabt, bevor ich zur Naef-Gruppe gestossen bin. Zuerst habe ich zwei Jahre lang in der Immobilienbewirtschaftung gearbeitet. So habe ich die verschiedenen Facetten dieses Geschäftsbereiches kennen gelernt. Ich war auch für die nachhaltige Entwicklung in der Gruppe zuständig und war zudem als Immobilienmakler für den Konzern tätig, habe jedoch schnell gemerkt, dass mir die Immobilienbewertung mit ihrer wirtschaftlichen Komponente am meisten Spass macht. Deshalb habe ich zur Tochtergesellschaft Acanthe gewechselt, die auf dieses Gebiet spezialisiert ist.

 

Was sind Ihre Hobbys? 
 

Ich mag Sport, insbesondere Ausdauersportarten wie Skilanglauf oder Laufen, sehr gerne. Ich habe mir für dieses Jahr das Ziel gesetzt, am Halbmarathon in Genf teilzunehmen, und im Sommer werde ich in Nendaz meinen ersten Trail über 30 km laufen.

 

Was sind Ihre wichtigsten Charaktereigenschaften? 

 

Ich gebe nicht leicht auf und bin enthusiastisch und zuversichtlich. Ich bin fest überzeugt von dem, was ich tue, und versuche es möglichst gut zu machen. Ich will auch mein Wissen mit anderen teilen, will diskutieren und mich mit den Leuten austauschen.

 

Das sind viele Qualitäten. Haben Sie auch schlechte Eigenschaften? 
 

Ich bin dickköpfig und manchmal zu nett.

 

Ist das eine schlechte Eigenschaft? 
 

Damit erweist man sich bisweilen einen Bärendienst.

 

Schliessen wir das Gespräch mit einer Frage ab, die wir immer am Ende stellen: Was würden Sie ändern, wenn Sie einen Zauberstab hätten und die Zeit zurückdrehen könnten? 
 

Ich war immer sehr zufrieden mit meiner Karriere und bin zufrieden mit dem, was ich heute mache. Als ich jünger war, hat mich das Bauingenieurwesen sehr interessiert. Ich wollte Brücken und Staudämme bauen. Mein Studium an der EPFL habe ich übrigens in diesem Fach begonnen, habe aber letztlich zu den Wirtschaftswissenschaften gewechselt. Ich bedaure nicht, mich umentschieden zu haben. Doch hätte ich mehr bautechnische Kenntnisse, wäre dies in meinem heutigen Beruf sehr nützlich. Aber wenn ich wirklich die Zeit zurückdrehen könnte, dann würde ich als Kind Schweizerdeutsch lernen, denn das ist die Muttersprache meiner Mutter und es frustriert mich, diese Chance verpasst zu haben.
 

Olivier Toublan, Immoday